Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.es ist die höchste Zeit. Wenn Du Helene auch heute "Wie geht es Dir?" "Besser." "Das sagst Du stets." "Mache nur, daß Du fort kommst." Oswald ging in den Garten und suchte die Wall¬ es iſt die höchſte Zeit. Wenn Du Helene auch heute „Wie geht es Dir?“ „Beſſer.“ „Das ſagſt Du ſtets.“ „Mache nur, daß Du fort kommſt.“ Oswald ging in den Garten und ſuchte die Wall¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0207" n="197"/> es iſt die höchſte Zeit. Wenn Du Helene auch heute<lb/> nicht triffſt, ſo ſtehe ich auf und gehe zu ihr, und<lb/> wenn ich darüber ſterben ſollte.“</p><lb/> <p>„Wie geht es Dir?“</p><lb/> <p>„Beſſer.“</p><lb/> <p>„Das ſagſt Du ſtets.“</p><lb/> <p>„Mache nur, daß Du fort kommſt.“</p><lb/> <p>Oswald ging in den Garten und ſuchte die Wall¬<lb/> promenade auf, wo er nun ſchon ſo manchen Morgen<lb/> mit nicht leichtem Herzen dem ſchönen Mädchen be¬<lb/> gegnet war. Aber ſo ſchwer wie heute war ihm das<lb/> Herz nie geweſen. Bruno's Krankheit, die jetzt herein<lb/> drohende Kataſtrophe in dem Familiendrama, deſſen<lb/> Entwicklung er mit ſo ſchmerzlichem Intereſſe verfolgt<lb/> hatte, und in welchem er jetzt die zweideutige Rolle<lb/> eines Zwiſchenträgers zu ſpielen verdammt war —<lb/> das Alles laſtete auf ſeiner Seele und machte, daß er<lb/> von dem wonnigen Morgen nichts empfand, nichts bei<lb/> dem warmen Sonnenſchein und den bläulichen Morgen¬<lb/> ſchatten, nichts bei dem Duft der unzähligen Blumen,<lb/> nichts bei dem Schwirren und Tanzen der Myriaden<lb/> von Inſecten, nichts bei dem Jubiliren der Vögel<lb/> in den Bäumen. Konnten ihm die Blumen ſeinen<lb/> Liebling wieder geſund machen? konnten ihm die Vö¬<lb/> gel Helenen herbeiſingen?</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [197/0207]
es iſt die höchſte Zeit. Wenn Du Helene auch heute
nicht triffſt, ſo ſtehe ich auf und gehe zu ihr, und
wenn ich darüber ſterben ſollte.“
„Wie geht es Dir?“
„Beſſer.“
„Das ſagſt Du ſtets.“
„Mache nur, daß Du fort kommſt.“
Oswald ging in den Garten und ſuchte die Wall¬
promenade auf, wo er nun ſchon ſo manchen Morgen
mit nicht leichtem Herzen dem ſchönen Mädchen be¬
gegnet war. Aber ſo ſchwer wie heute war ihm das
Herz nie geweſen. Bruno's Krankheit, die jetzt herein
drohende Kataſtrophe in dem Familiendrama, deſſen
Entwicklung er mit ſo ſchmerzlichem Intereſſe verfolgt
hatte, und in welchem er jetzt die zweideutige Rolle
eines Zwiſchenträgers zu ſpielen verdammt war —
das Alles laſtete auf ſeiner Seele und machte, daß er
von dem wonnigen Morgen nichts empfand, nichts bei
dem warmen Sonnenſchein und den bläulichen Morgen¬
ſchatten, nichts bei dem Duft der unzähligen Blumen,
nichts bei dem Schwirren und Tanzen der Myriaden
von Inſecten, nichts bei dem Jubiliren der Vögel
in den Bäumen. Konnten ihm die Blumen ſeinen
Liebling wieder geſund machen? konnten ihm die Vö¬
gel Helenen herbeiſingen?
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