haben würde. Grade in der ersten Zeit von Oswalds Anwesenheit in Grenwitz hatte seine Liebe zu Tante Berkow in der Blüthe gestanden. Melitta's um ein paar Jahre jüngeren Knaben hatte er ebenso wie einen jüngeren Bruder behandelt, wie ihm die jugendlich schöne Mutter oft nur wie eine ältere Schwester er¬ schienen war. Da Melitta grade in jener Zeit häufig nach Grenwitz herüberkam, und Bemperlein, um seinem Julius Gesellschaft zu verschaffen, den Umgang der Knaben aufs eifrigste protegirte, so fehlte es Bruno nicht an Gelegenheit, Tante Berkow zu sehen, ihr hundert kleine Pagendienste zu leisten, ihr in den Sattel zu helfen, Bella oder Brownlock eine halbe Stunde umherzuführen, mit der Reitpeitsche, dem Fe¬ derhut und den Handschuhen hinter ihr zu stehen, wenn sie darnach fragte. "Tante Berkow" war in dieser Zeit sein drittes Wort, und Oswald hatte es sich gern gefallen lassen, wenn ihm Bruno lange Ge¬ schichten erzählte, in denen Tante Berkow immer die erste Rolle spielte.
Melitta hatte vielleicht nicht wenig dazu beigetragen, daß Bruno in Monaten ein Stadium der Entwickelung zurücklegte, zu welchem weniger feurige Naturen fast eben so viele Jahre brauchen. Es ist ein weit ver¬ breiteter Irrthum unter den Frauen, zu glauben, daß
haben würde. Grade in der erſten Zeit von Oswalds Anweſenheit in Grenwitz hatte ſeine Liebe zu Tante Berkow in der Blüthe geſtanden. Melitta's um ein paar Jahre jüngeren Knaben hatte er ebenſo wie einen jüngeren Bruder behandelt, wie ihm die jugendlich ſchöne Mutter oft nur wie eine ältere Schweſter er¬ ſchienen war. Da Melitta grade in jener Zeit häufig nach Grenwitz herüberkam, und Bemperlein, um ſeinem Julius Geſellſchaft zu verſchaffen, den Umgang der Knaben aufs eifrigſte protegirte, ſo fehlte es Bruno nicht an Gelegenheit, Tante Berkow zu ſehen, ihr hundert kleine Pagendienſte zu leiſten, ihr in den Sattel zu helfen, Bella oder Brownlock eine halbe Stunde umherzuführen, mit der Reitpeitſche, dem Fe¬ derhut und den Handſchuhen hinter ihr zu ſtehen, wenn ſie darnach fragte. „Tante Berkow“ war in dieſer Zeit ſein drittes Wort, und Oswald hatte es ſich gern gefallen laſſen, wenn ihm Bruno lange Ge¬ ſchichten erzählte, in denen Tante Berkow immer die erſte Rolle ſpielte.
Melitta hatte vielleicht nicht wenig dazu beigetragen, daß Bruno in Monaten ein Stadium der Entwickelung zurücklegte, zu welchem weniger feurige Naturen faſt eben ſo viele Jahre brauchen. Es iſt ein weit ver¬ breiteter Irrthum unter den Frauen, zu glauben, daß
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haben würde. Grade in der erſten Zeit von Oswalds
Anweſenheit in Grenwitz hatte ſeine Liebe zu Tante
Berkow in der Blüthe geſtanden. Melitta's um ein
paar Jahre jüngeren Knaben hatte er ebenſo wie
einen jüngeren Bruder behandelt, wie ihm die jugendlich
ſchöne Mutter oft nur wie eine ältere Schweſter er¬
ſchienen war. Da Melitta grade in jener Zeit häufig
nach Grenwitz herüberkam, und Bemperlein, um ſeinem
Julius Geſellſchaft zu verſchaffen, den Umgang der
Knaben aufs eifrigſte protegirte, ſo fehlte es Bruno
nicht an Gelegenheit, Tante Berkow zu ſehen, ihr
hundert kleine Pagendienſte zu leiſten, ihr in den
Sattel zu helfen, Bella oder Brownlock eine halbe
Stunde umherzuführen, mit der Reitpeitſche, dem Fe¬
derhut und den Handſchuhen hinter ihr zu ſtehen,
wenn ſie darnach fragte. „Tante Berkow“ war in
dieſer Zeit ſein drittes Wort, und Oswald hatte es
ſich gern gefallen laſſen, wenn ihm Bruno lange Ge¬
ſchichten erzählte, in denen Tante Berkow immer die
erſte Rolle ſpielte.
Melitta hatte vielleicht nicht wenig dazu beigetragen,
daß Bruno in Monaten ein Stadium der Entwickelung
zurücklegte, zu welchem weniger feurige Naturen faſt
eben ſo viele Jahre brauchen. Es iſt ein weit ver¬
breiteter Irrthum unter den Frauen, zu glauben, daß
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/188>, abgerufen am 23.12.2024.
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