Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

mit einer Gewalt, der ich nicht zu widerstehen ver¬
mag. Es kocht in mir auf, es nagt an meinem
Herzen, es hämmert in meinen Schläfen und dann
weiß ich nicht mehr, was ich spreche oder thue." --
Wenn dann Oswald sagte; er könne, wenn er nur
wolle, so antwortete Bruno trotzig: schilt mich nur
auch, wie die Andern; mache nur gemeinschaftliche
Sache mit den Andern. Ich will keine halben Freunde;
wer nicht für mich ist, der ist gegen mich. -- Dann,
wenn er sah, wie er Oswald durch diese und ähnliche
Reden gekränkt hatte, warf er sich stürmisch in seine
Arme und bat ihn unter heißen Thränen um Verzei¬
hung. -- Habe Mitleid mit mir, rief er. Du weißt
nicht, wie grenzenlos unglücklich ich bin. -- Vergebens,
daß Oswald in ihn drang, zu sagen, ob er irgend
etwas Besonderes auf dem Herzen habe? ob die wilde
Sehnsucht in die Ferne, von der er früher so gefoltert
wurde, jetzt wieder in ihm übermächtig sei? -- Ich
weiß es selbst nicht, sagte Bruno; ja ich möchte fort,
weit, weit von hier, um nimmer wieder zu kehren;
und dann möchte ich doch auch wieder nicht fort, nein
nicht fort, nicht um Alles auf der Welt; ich weiß es
nicht: ich glaube, ich möchte am liebsten sterben.

Oswald rieth hin und her, was denn nur die Ur¬
sache dieses sonderbaren Zustandes sein möchte; aber

mit einer Gewalt, der ich nicht zu widerſtehen ver¬
mag. Es kocht in mir auf, es nagt an meinem
Herzen, es hämmert in meinen Schläfen und dann
weiß ich nicht mehr, was ich ſpreche oder thue.“ —
Wenn dann Oswald ſagte; er könne, wenn er nur
wolle, ſo antwortete Bruno trotzig: ſchilt mich nur
auch, wie die Andern; mache nur gemeinſchaftliche
Sache mit den Andern. Ich will keine halben Freunde;
wer nicht für mich iſt, der iſt gegen mich. — Dann,
wenn er ſah, wie er Oswald durch dieſe und ähnliche
Reden gekränkt hatte, warf er ſich ſtürmiſch in ſeine
Arme und bat ihn unter heißen Thränen um Verzei¬
hung. — Habe Mitleid mit mir, rief er. Du weißt
nicht, wie grenzenlos unglücklich ich bin. — Vergebens,
daß Oswald in ihn drang, zu ſagen, ob er irgend
etwas Beſonderes auf dem Herzen habe? ob die wilde
Sehnſucht in die Ferne, von der er früher ſo gefoltert
wurde, jetzt wieder in ihm übermächtig ſei? — Ich
weiß es ſelbſt nicht, ſagte Bruno; ja ich möchte fort,
weit, weit von hier, um nimmer wieder zu kehren;
und dann möchte ich doch auch wieder nicht fort, nein
nicht fort, nicht um Alles auf der Welt; ich weiß es
nicht: ich glaube, ich möchte am liebſten ſterben.

Oswald rieth hin und her, was denn nur die Ur¬
ſache dieſes ſonderbaren Zuſtandes ſein möchte; aber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0184" n="174"/>
mit einer Gewalt, der ich nicht zu wider&#x017F;tehen ver¬<lb/>
mag. Es kocht in mir auf, es nagt an meinem<lb/>
Herzen, es hämmert in meinen Schläfen und dann<lb/>
weiß ich nicht mehr, was ich &#x017F;preche oder thue.&#x201C; &#x2014;<lb/>
Wenn dann Oswald &#x017F;agte; er könne, wenn er nur<lb/>
wolle, &#x017F;o antwortete Bruno trotzig: &#x017F;chilt mich nur<lb/>
auch, wie die Andern; mache nur gemein&#x017F;chaftliche<lb/>
Sache mit den Andern. Ich will keine halben Freunde;<lb/>
wer nicht für mich i&#x017F;t, der i&#x017F;t gegen mich. &#x2014; Dann,<lb/>
wenn er &#x017F;ah, wie er Oswald durch die&#x017F;e und ähnliche<lb/>
Reden gekränkt hatte, warf er &#x017F;ich &#x017F;türmi&#x017F;ch in &#x017F;eine<lb/>
Arme und bat ihn unter heißen Thränen um Verzei¬<lb/>
hung. &#x2014; Habe Mitleid mit mir, rief er. Du weißt<lb/>
nicht, wie grenzenlos unglücklich ich bin. &#x2014; Vergebens,<lb/>
daß Oswald in ihn drang, zu &#x017F;agen, ob er irgend<lb/>
etwas Be&#x017F;onderes auf dem Herzen habe? ob die wilde<lb/>
Sehn&#x017F;ucht in die Ferne, von der er früher &#x017F;o gefoltert<lb/>
wurde, jetzt wieder in ihm übermächtig &#x017F;ei? &#x2014; Ich<lb/>
weiß es &#x017F;elb&#x017F;t nicht, &#x017F;agte Bruno; ja ich möchte fort,<lb/>
weit, weit von hier, um nimmer wieder zu kehren;<lb/>
und dann möchte ich doch auch wieder nicht fort, nein<lb/>
nicht fort, nicht um Alles auf der Welt; ich weiß es<lb/>
nicht: ich glaube, ich möchte am lieb&#x017F;ten &#x017F;terben.</p><lb/>
        <p>Oswald rieth hin und her, was denn nur die Ur¬<lb/>
&#x017F;ache die&#x017F;es &#x017F;onderbaren Zu&#x017F;tandes &#x017F;ein möchte; aber<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0184] mit einer Gewalt, der ich nicht zu widerſtehen ver¬ mag. Es kocht in mir auf, es nagt an meinem Herzen, es hämmert in meinen Schläfen und dann weiß ich nicht mehr, was ich ſpreche oder thue.“ — Wenn dann Oswald ſagte; er könne, wenn er nur wolle, ſo antwortete Bruno trotzig: ſchilt mich nur auch, wie die Andern; mache nur gemeinſchaftliche Sache mit den Andern. Ich will keine halben Freunde; wer nicht für mich iſt, der iſt gegen mich. — Dann, wenn er ſah, wie er Oswald durch dieſe und ähnliche Reden gekränkt hatte, warf er ſich ſtürmiſch in ſeine Arme und bat ihn unter heißen Thränen um Verzei¬ hung. — Habe Mitleid mit mir, rief er. Du weißt nicht, wie grenzenlos unglücklich ich bin. — Vergebens, daß Oswald in ihn drang, zu ſagen, ob er irgend etwas Beſonderes auf dem Herzen habe? ob die wilde Sehnſucht in die Ferne, von der er früher ſo gefoltert wurde, jetzt wieder in ihm übermächtig ſei? — Ich weiß es ſelbſt nicht, ſagte Bruno; ja ich möchte fort, weit, weit von hier, um nimmer wieder zu kehren; und dann möchte ich doch auch wieder nicht fort, nein nicht fort, nicht um Alles auf der Welt; ich weiß es nicht: ich glaube, ich möchte am liebſten ſterben. Oswald rieth hin und her, was denn nur die Ur¬ ſache dieſes ſonderbaren Zuſtandes ſein möchte; aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/184
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/184>, abgerufen am 23.12.2024.