Schilderung einer sehr ernsten Begegnung auf das unangenehmste berührt. Ihre Befürchtungen betreff des Briefes regten sich wieder . . . Bruno zur Nacht¬ zeit unter Helenen's Fenster? was hatte er da zu thun? Der Umstand sah sehr verdächtig aus. Wenn Bruno den Brief gefunden hätte! wenn er gestern Abend die Absicht gehabt hätte, ihn Helenen wieder zuzustellen . . . Die Baronin stöhnte bei diesem ent¬ setzlichen Gedanken.
"Was haben Sie, liebe Tante?"
"O nichts. Ich seufze nur über das Unglück, welches uns dieser Stein ins Haus brachte. Wenn ich etwas in meinem Leben bedauere, so ist es, den Menschen nicht am ersten Abend wieder fortgeschickt zu haben, wie ich wirklich große Lust hatte. Es hat nicht leicht Jemand einen so unangenehmen Eindruck auf mich gemacht, als dieser junge Mann."
"Aber Tante, so holen sie doch nach, was Sie an jenem ersten Abende leider versäumten: jagen Sie ihn doch fort. Ich begreife wahrhaftig nicht, weshalb Sie so viel Umstände mit ihm machen."
Die Baronin wollte nicht sagen, daß sie die tau¬ send Thaler nicht verschmerzen würde, welche Oswald contractlich zu fordern hatte, wenn ihm im ersten Jahre seines Engagements gekündigt würde. Ehe sie
Schilderung einer ſehr ernſten Begegnung auf das unangenehmſte berührt. Ihre Befürchtungen betreff des Briefes regten ſich wieder . . . Bruno zur Nacht¬ zeit unter Helenen's Fenſter? was hatte er da zu thun? Der Umſtand ſah ſehr verdächtig aus. Wenn Bruno den Brief gefunden hätte! wenn er geſtern Abend die Abſicht gehabt hätte, ihn Helenen wieder zuzuſtellen . . . Die Baronin ſtöhnte bei dieſem ent¬ ſetzlichen Gedanken.
„Was haben Sie, liebe Tante?“
„O nichts. Ich ſeufze nur über das Unglück, welches uns dieſer Stein ins Haus brachte. Wenn ich etwas in meinem Leben bedauere, ſo iſt es, den Menſchen nicht am erſten Abend wieder fortgeſchickt zu haben, wie ich wirklich große Luſt hatte. Es hat nicht leicht Jemand einen ſo unangenehmen Eindruck auf mich gemacht, als dieſer junge Mann.“
„Aber Tante, ſo holen ſie doch nach, was Sie an jenem erſten Abende leider verſäumten: jagen Sie ihn doch fort. Ich begreife wahrhaftig nicht, weshalb Sie ſo viel Umſtände mit ihm machen.“
Die Baronin wollte nicht ſagen, daß ſie die tau¬ ſend Thaler nicht verſchmerzen würde, welche Oswald contractlich zu fordern hatte, wenn ihm im erſten Jahre ſeines Engagements gekündigt würde. Ehe ſie
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Schilderung einer ſehr ernſten Begegnung auf das
unangenehmſte berührt. Ihre Befürchtungen betreff
des Briefes regten ſich wieder . . . Bruno zur Nacht¬
zeit unter Helenen's Fenſter? was hatte er da zu
thun? Der Umſtand ſah ſehr verdächtig aus. Wenn
Bruno den Brief gefunden hätte! wenn er geſtern
Abend die Abſicht gehabt hätte, ihn Helenen wieder
zuzuſtellen . . . Die Baronin ſtöhnte bei dieſem ent¬
ſetzlichen Gedanken.
„Was haben Sie, liebe Tante?“
„O nichts. Ich ſeufze nur über das Unglück,
welches uns dieſer Stein ins Haus brachte. Wenn
ich etwas in meinem Leben bedauere, ſo iſt es, den
Menſchen nicht am erſten Abend wieder fortgeſchickt
zu haben, wie ich wirklich große Luſt hatte. Es hat
nicht leicht Jemand einen ſo unangenehmen Eindruck
auf mich gemacht, als dieſer junge Mann.“
„Aber Tante, ſo holen ſie doch nach, was Sie an
jenem erſten Abende leider verſäumten: jagen Sie ihn
doch fort. Ich begreife wahrhaftig nicht, weshalb Sie
ſo viel Umſtände mit ihm machen.“
Die Baronin wollte nicht ſagen, daß ſie die tau¬
ſend Thaler nicht verſchmerzen würde, welche Oswald
contractlich zu fordern hatte, wenn ihm im erſten
Jahre ſeines Engagements gekündigt würde. Ehe ſie
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/172>, abgerufen am 16.07.2024.
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