ihrem Neffen einmal das Taschentuch gezogen hatte, um die Beleidigte mit noch größerer Würde zu spielen. Indessen war es heute Abend zu spät, noch Nachfor¬ schungen anzustellen; sie mußte es sich gefallen lassen, eine beinahe schlaflose Nacht zuzubringen und am nächsten Morgen mit einem heftigen Kopfweh aufzu¬ wachen. Sie ging alsbald in den Garten nach der Kapelle. Der Brief war nicht da; auch nicht in dem Buchengange, oder in der Laube. Im höchsten Maße verdrießlich über diesen bösen Zufall ging die Baronin in's Schloß zurück.
Dort erwarteten sie andere Unannehmlichkeiten. Oswald schickte herunter, um zu melden, daß Bruno sich nach einer schlaflosen Nacht sehr unwohl fühle, und daß er (Oswald) bitte, man möge einen reiten¬ den Boten zu Dr. Braun senden. Auch ließ er bitten, Malte für heute unten zu behalten, da er, bis der Doctor käme, Bruno nicht gern allein lassen möchte. Die Baronin ließ zurücksagen: sie hoffe, daß es mit Bruno's Unwohlsein nicht viel auf sich haben und daß die in dem Unterricht eintretende Pause nicht zu lange dauern werde. Uebrigens würde heute im Laufe des Vormittags noch so wie so in die Stadt geschickt.
Ein paar Stunden später ließ Felix sich entschul¬ digen, wenn er heute nicht zum Frühstück komme; er
ihrem Neffen einmal das Taſchentuch gezogen hatte, um die Beleidigte mit noch größerer Würde zu ſpielen. Indeſſen war es heute Abend zu ſpät, noch Nachfor¬ ſchungen anzuſtellen; ſie mußte es ſich gefallen laſſen, eine beinahe ſchlafloſe Nacht zuzubringen und am nächſten Morgen mit einem heftigen Kopfweh aufzu¬ wachen. Sie ging alsbald in den Garten nach der Kapelle. Der Brief war nicht da; auch nicht in dem Buchengange, oder in der Laube. Im höchſten Maße verdrießlich über dieſen böſen Zufall ging die Baronin in's Schloß zurück.
Dort erwarteten ſie andere Unannehmlichkeiten. Oswald ſchickte herunter, um zu melden, daß Bruno ſich nach einer ſchlafloſen Nacht ſehr unwohl fühle, und daß er (Oswald) bitte, man möge einen reiten¬ den Boten zu Dr. Braun ſenden. Auch ließ er bitten, Malte für heute unten zu behalten, da er, bis der Doctor käme, Bruno nicht gern allein laſſen möchte. Die Baronin ließ zurückſagen: ſie hoffe, daß es mit Bruno's Unwohlſein nicht viel auf ſich haben und daß die in dem Unterricht eintretende Pauſe nicht zu lange dauern werde. Uebrigens würde heute im Laufe des Vormittags noch ſo wie ſo in die Stadt geſchickt.
Ein paar Stunden ſpäter ließ Felix ſich entſchul¬ digen, wenn er heute nicht zum Frühſtück komme; er
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0167"n="157"/>
ihrem Neffen einmal das Taſchentuch gezogen hatte,<lb/>
um die Beleidigte mit noch größerer Würde zu ſpielen.<lb/>
Indeſſen war es heute Abend zu ſpät, noch Nachfor¬<lb/>ſchungen anzuſtellen; ſie mußte es ſich gefallen laſſen,<lb/>
eine beinahe ſchlafloſe Nacht zuzubringen und am<lb/>
nächſten Morgen mit einem heftigen Kopfweh aufzu¬<lb/>
wachen. Sie ging alsbald in den Garten nach der<lb/>
Kapelle. Der Brief war nicht da; auch nicht in dem<lb/>
Buchengange, oder in der Laube. Im höchſten Maße<lb/>
verdrießlich über dieſen böſen Zufall ging die Baronin<lb/>
in's Schloß zurück.</p><lb/><p>Dort erwarteten ſie andere Unannehmlichkeiten.<lb/>
Oswald ſchickte herunter, um zu melden, daß Bruno<lb/>ſich nach einer ſchlafloſen Nacht ſehr unwohl fühle,<lb/>
und daß er (Oswald) bitte, man möge einen reiten¬<lb/>
den Boten zu <hirendition="#aq">Dr.</hi> Braun ſenden. Auch ließ er bitten,<lb/>
Malte für heute unten zu behalten, da er, bis der<lb/>
Doctor käme, Bruno nicht gern allein laſſen möchte.<lb/>
Die Baronin ließ zurückſagen: ſie hoffe, daß es mit<lb/>
Bruno's Unwohlſein nicht viel auf ſich haben und<lb/>
daß die in dem Unterricht eintretende Pauſe nicht zu<lb/>
lange dauern werde. Uebrigens würde heute im Laufe<lb/>
des Vormittags noch ſo wie ſo in die Stadt geſchickt.</p><lb/><p>Ein paar Stunden ſpäter ließ Felix ſich entſchul¬<lb/>
digen, wenn er heute nicht zum Frühſtück komme; er<lb/></p></div></body></text></TEI>
[157/0167]
ihrem Neffen einmal das Taſchentuch gezogen hatte,
um die Beleidigte mit noch größerer Würde zu ſpielen.
Indeſſen war es heute Abend zu ſpät, noch Nachfor¬
ſchungen anzuſtellen; ſie mußte es ſich gefallen laſſen,
eine beinahe ſchlafloſe Nacht zuzubringen und am
nächſten Morgen mit einem heftigen Kopfweh aufzu¬
wachen. Sie ging alsbald in den Garten nach der
Kapelle. Der Brief war nicht da; auch nicht in dem
Buchengange, oder in der Laube. Im höchſten Maße
verdrießlich über dieſen böſen Zufall ging die Baronin
in's Schloß zurück.
Dort erwarteten ſie andere Unannehmlichkeiten.
Oswald ſchickte herunter, um zu melden, daß Bruno
ſich nach einer ſchlafloſen Nacht ſehr unwohl fühle,
und daß er (Oswald) bitte, man möge einen reiten¬
den Boten zu Dr. Braun ſenden. Auch ließ er bitten,
Malte für heute unten zu behalten, da er, bis der
Doctor käme, Bruno nicht gern allein laſſen möchte.
Die Baronin ließ zurückſagen: ſie hoffe, daß es mit
Bruno's Unwohlſein nicht viel auf ſich haben und
daß die in dem Unterricht eintretende Pauſe nicht zu
lange dauern werde. Uebrigens würde heute im Laufe
des Vormittags noch ſo wie ſo in die Stadt geſchickt.
Ein paar Stunden ſpäter ließ Felix ſich entſchul¬
digen, wenn er heute nicht zum Frühſtück komme; er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/167>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.