ihn zu der Wiederholung seiner früheren Bemerkung veranlaßte: es sei nicht Alles Gold, was glänze. Dar¬ auf hatte die hübsche Luise an zu weinen gefangen, die alte, brave Köchin sich ihrer aber angenommen und gemeint: Der Herr Kammerdiener solle sich schä¬ men, durch gehässige "Insinuationen" und "böse Blicke" ein armes Mädchen in schlechten Ruf zu bringen; der Vielgewandte, welcher merkte, daß er zu weit gegangen sei, sich sodann zu der Erwiederung genöthigt gesehen: wie es ihm nicht eingefallen sei, auf irgend eine der anwesenden Damen direct anzuspielen, und daß er mit seinem Zwinkern schlechterdings gar nichts habe sagen wollen. Diese so äußerst loyale parlamentari¬ sche Erklärung hatte denn schließlich den so freventlich gestörten Frieden der um den Küchenheerd versammel¬ ten Gesellschaft wiederhergestellt.
Indessen verhielt sich leider die Sache genau so, wie der Vielgewandte -- freilich mit grober Verletzung der seinem Herrn schuldigen Treue und der Verschwie¬ genheit, auf die er sich so viel zu gut that -- an¬ gedeutet hatte. Baron Felix hatte die für Andere -- besonders seinen Kammerdiener und oft auch für ihn selbst -- sehr unbequeme Gewohnheit, sich in jedes hübsche Mädchen, das ihm auf seinem Lebenswege begegnete, und wär's auch nur auf ein paar Tage,
ihn zu der Wiederholung ſeiner früheren Bemerkung veranlaßte: es ſei nicht Alles Gold, was glänze. Dar¬ auf hatte die hübſche Luiſe an zu weinen gefangen, die alte, brave Köchin ſich ihrer aber angenommen und gemeint: Der Herr Kammerdiener ſolle ſich ſchä¬ men, durch gehäſſige „Inſinuationen“ und „böſe Blicke“ ein armes Mädchen in ſchlechten Ruf zu bringen; der Vielgewandte, welcher merkte, daß er zu weit gegangen ſei, ſich ſodann zu der Erwiederung genöthigt geſehen: wie es ihm nicht eingefallen ſei, auf irgend eine der anweſenden Damen direct anzuſpielen, und daß er mit ſeinem Zwinkern ſchlechterdings gar nichts habe ſagen wollen. Dieſe ſo äußerſt loyale parlamentari¬ ſche Erklärung hatte denn ſchließlich den ſo freventlich geſtörten Frieden der um den Küchenheerd verſammel¬ ten Geſellſchaft wiederhergeſtellt.
Indeſſen verhielt ſich leider die Sache genau ſo, wie der Vielgewandte — freilich mit grober Verletzung der ſeinem Herrn ſchuldigen Treue und der Verſchwie¬ genheit, auf die er ſich ſo viel zu gut that — an¬ gedeutet hatte. Baron Felix hatte die für Andere — beſonders ſeinen Kammerdiener und oft auch für ihn ſelbſt — ſehr unbequeme Gewohnheit, ſich in jedes hübſche Mädchen, das ihm auf ſeinem Lebenswege begegnete, und wär's auch nur auf ein paar Tage,
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ihn zu der Wiederholung ſeiner früheren Bemerkung
veranlaßte: es ſei nicht Alles Gold, was glänze. Dar¬
auf hatte die hübſche Luiſe an zu weinen gefangen,
die alte, brave Köchin ſich ihrer aber angenommen
und gemeint: Der Herr Kammerdiener ſolle ſich ſchä¬
men, durch gehäſſige „Inſinuationen“ und „böſe Blicke“
ein armes Mädchen in ſchlechten Ruf zu bringen; der
Vielgewandte, welcher merkte, daß er zu weit gegangen
ſei, ſich ſodann zu der Erwiederung genöthigt geſehen:
wie es ihm nicht eingefallen ſei, auf irgend eine der
anweſenden Damen direct anzuſpielen, und daß er
mit ſeinem Zwinkern ſchlechterdings gar nichts habe
ſagen wollen. Dieſe ſo äußerſt loyale parlamentari¬
ſche Erklärung hatte denn ſchließlich den ſo freventlich
geſtörten Frieden der um den Küchenheerd verſammel¬
ten Geſellſchaft wiederhergeſtellt.
Indeſſen verhielt ſich leider die Sache genau ſo,
wie der Vielgewandte — freilich mit grober Verletzung
der ſeinem Herrn ſchuldigen Treue und der Verſchwie¬
genheit, auf die er ſich ſo viel zu gut that — an¬
gedeutet hatte. Baron Felix hatte die für Andere —
beſonders ſeinen Kammerdiener und oft auch für ihn
ſelbſt — ſehr unbequeme Gewohnheit, ſich in jedes
hübſche Mädchen, das ihm auf ſeinem Lebenswege
begegnete, und wär's auch nur auf ein paar Tage,
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/156>, abgerufen am 23.12.2024.
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