ein guter, dies ist kein guter Mensch. Und bei Stein wenigstens trifft es zu. Ich habe schon manche Pro¬ ben von seiner Herzensgüte gesehen. So starb vor ein paar Tagen in unserem Dorfe eine steinalte Frau, die früher Wirthschafterin auf dem Schlosse gewesen war und von dem Vater eine kleine Pension hatte. Niemand kümmerte sich um sie, nur Stein, der auch nach ihrem Tode für ihr Begräbniß Sorge trug, ja sie zu ihrer letzten Ruhestätte, mit Bruno, den weiten Weg bis zum Friedhofe begleitet hat. Das ist ihm im Schlosse sehr übel ausgelegt worden und ich mußte sehr lieblose Bemerkungen darüber mit anhören; be¬ sonders von einer gewissen Person, die Gott danken sollte, wenn er sie nur einmal auf den Gedanken einer so guten That kommen, geschweige denn eine solche wirklich ausführen ließe. Aber ich will dieser Person nicht die Ehre anthun, noch mehr Worte über sie zu verlieren. Ich habe beschlossen, daß sie in Wirklich¬ keit für mich nicht existiren soll, und so soll sie es auch nicht in Worten . . . . . . . . . . . . .
Dieser Brief, in welchem sich Fräulein Helene so unumwunden über die Personen ihrer Umgebung aus¬ sprach, wurde nie beantwortet, denn er gelangte nie an seine Adresse.
ein guter, dies iſt kein guter Menſch. Und bei Stein wenigſtens trifft es zu. Ich habe ſchon manche Pro¬ ben von ſeiner Herzensgüte geſehen. So ſtarb vor ein paar Tagen in unſerem Dorfe eine ſteinalte Frau, die früher Wirthſchafterin auf dem Schloſſe geweſen war und von dem Vater eine kleine Penſion hatte. Niemand kümmerte ſich um ſie, nur Stein, der auch nach ihrem Tode für ihr Begräbniß Sorge trug, ja ſie zu ihrer letzten Ruheſtätte, mit Bruno, den weiten Weg bis zum Friedhofe begleitet hat. Das iſt ihm im Schloſſe ſehr übel ausgelegt worden und ich mußte ſehr liebloſe Bemerkungen darüber mit anhören; be¬ ſonders von einer gewiſſen Perſon, die Gott danken ſollte, wenn er ſie nur einmal auf den Gedanken einer ſo guten That kommen, geſchweige denn eine ſolche wirklich ausführen ließe. Aber ich will dieſer Perſon nicht die Ehre anthun, noch mehr Worte über ſie zu verlieren. Ich habe beſchloſſen, daß ſie in Wirklich¬ keit für mich nicht exiſtiren ſoll, und ſo ſoll ſie es auch nicht in Worten . . . . . . . . . . . . .
Dieſer Brief, in welchem ſich Fräulein Helene ſo unumwunden über die Perſonen ihrer Umgebung aus¬ ſprach, wurde nie beantwortet, denn er gelangte nie an ſeine Adreſſe.
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ein guter, dies iſt kein guter Menſch. Und bei Stein
wenigſtens trifft es zu. Ich habe ſchon manche Pro¬
ben von ſeiner Herzensgüte geſehen. So ſtarb vor
ein paar Tagen in unſerem Dorfe eine ſteinalte Frau,
die früher Wirthſchafterin auf dem Schloſſe geweſen
war und von dem Vater eine kleine Penſion hatte.
Niemand kümmerte ſich um ſie, nur Stein, der auch
nach ihrem Tode für ihr Begräbniß Sorge trug, ja
ſie zu ihrer letzten Ruheſtätte, mit Bruno, den weiten
Weg bis zum Friedhofe begleitet hat. Das iſt ihm
im Schloſſe ſehr übel ausgelegt worden und ich mußte
ſehr liebloſe Bemerkungen darüber mit anhören; be¬
ſonders von einer gewiſſen Perſon, die Gott danken
ſollte, wenn er ſie nur einmal auf den Gedanken einer
ſo guten That kommen, geſchweige denn eine ſolche
wirklich ausführen ließe. Aber ich will dieſer Perſon
nicht die Ehre anthun, noch mehr Worte über ſie zu
verlieren. Ich habe beſchloſſen, daß ſie in Wirklich¬
keit für mich nicht exiſtiren ſoll, und ſo ſoll ſie es auch
nicht in Worten . . . . . . . . . . . . .
Dieſer Brief, in welchem ſich Fräulein Helene ſo
unumwunden über die Perſonen ihrer Umgebung aus¬
ſprach, wurde nie beantwortet, denn er gelangte nie
an ſeine Adreſſe.
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/138>, abgerufen am 22.12.2024.
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