denken und sprechen und thöricht handeln sind be¬ kanntlich sehr heterogene Dinge, die ganz vortrefflich Hand in Hand gehen können.
Freilich mochte es einem leidenschaftlichen Herzen schwer fallen, von so viel Schönheit, Anmuth und Geist nicht gerührt zu werden. Empfanden doch Alle, die mit Helene in Berührung kamen, den wunderbaren Zauber ihrer Persönlichkeit; schien es doch fast un¬ möglich, nicht mit Heftigkeit für oder gegen sie Partei zu nehmen; gab es doch selbst in der Gesindestube unter den Leuten lebhafte Scenen, da der schweigsame Kutscher, auf die junge Baronesse anspielend, brummte: es sei nicht Alles Gold, was glänze, worauf die alte brave Köchin erwiederte: zu schlechten und misgün¬ stigen Menschen kämen die lieben Engel allerdings nicht, was denn eine unerquickliche Debatte über schlechte Menschen im Allgemeinen und Besondern herbeiführte, bei der es von beiden Seiten ziemlich scharf herging und, wie es bei solchen Gelegenheiten zu geschehen pflegt, verschiedene helle Streiflichter auf die Familienangelegenheiten der gnädigen Herrschaft geworfen wurden. Denn selbst in diesen Regionen war man so ziemlich darüber einig, daß Baron Felix sich nicht bloß zum Vergnügen so lange auf Schloß Grenwitz aufhielt; ja Felix' Kammerdiener behauptete:
denken und ſprechen und thöricht handeln ſind be¬ kanntlich ſehr heterogene Dinge, die ganz vortrefflich Hand in Hand gehen können.
Freilich mochte es einem leidenſchaftlichen Herzen ſchwer fallen, von ſo viel Schönheit, Anmuth und Geiſt nicht gerührt zu werden. Empfanden doch Alle, die mit Helene in Berührung kamen, den wunderbaren Zauber ihrer Perſönlichkeit; ſchien es doch faſt un¬ möglich, nicht mit Heftigkeit für oder gegen ſie Partei zu nehmen; gab es doch ſelbſt in der Geſindeſtube unter den Leuten lebhafte Scenen, da der ſchweigſame Kutſcher, auf die junge Baroneſſe anſpielend, brummte: es ſei nicht Alles Gold, was glänze, worauf die alte brave Köchin erwiederte: zu ſchlechten und misgün¬ ſtigen Menſchen kämen die lieben Engel allerdings nicht, was denn eine unerquickliche Debatte über ſchlechte Menſchen im Allgemeinen und Beſondern herbeiführte, bei der es von beiden Seiten ziemlich ſcharf herging und, wie es bei ſolchen Gelegenheiten zu geſchehen pflegt, verſchiedene helle Streiflichter auf die Familienangelegenheiten der gnädigen Herrſchaft geworfen wurden. Denn ſelbſt in dieſen Regionen war man ſo ziemlich darüber einig, daß Baron Felix ſich nicht bloß zum Vergnügen ſo lange auf Schloß Grenwitz aufhielt; ja Felix' Kammerdiener behauptete:
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0130"n="120"/>
denken und ſprechen und thöricht handeln ſind be¬<lb/>
kanntlich ſehr heterogene Dinge, die ganz vortrefflich<lb/>
Hand in Hand gehen können.</p><lb/><p>Freilich mochte es einem leidenſchaftlichen Herzen<lb/>ſchwer fallen, von ſo viel Schönheit, Anmuth und<lb/>
Geiſt nicht gerührt zu werden. Empfanden doch Alle,<lb/>
die mit Helene in Berührung kamen, den wunderbaren<lb/>
Zauber ihrer Perſönlichkeit; ſchien es doch faſt un¬<lb/>
möglich, nicht mit Heftigkeit für oder gegen ſie Partei<lb/>
zu nehmen; gab es doch ſelbſt in der Geſindeſtube<lb/>
unter den Leuten lebhafte Scenen, da der ſchweigſame<lb/>
Kutſcher, auf die junge Baroneſſe anſpielend, brummte:<lb/>
es ſei nicht Alles Gold, was glänze, worauf die alte<lb/>
brave Köchin erwiederte: zu ſchlechten und misgün¬<lb/>ſtigen Menſchen kämen die lieben Engel allerdings<lb/>
nicht, was denn eine unerquickliche Debatte über<lb/>ſchlechte Menſchen im Allgemeinen und Beſondern<lb/>
herbeiführte, bei der es von beiden Seiten ziemlich<lb/>ſcharf herging und, wie es bei ſolchen Gelegenheiten<lb/>
zu geſchehen pflegt, verſchiedene helle Streiflichter auf<lb/>
die Familienangelegenheiten der gnädigen Herrſchaft<lb/>
geworfen wurden. Denn ſelbſt in dieſen Regionen<lb/>
war man ſo ziemlich darüber einig, daß Baron Felix<lb/>ſich nicht bloß zum Vergnügen ſo lange auf Schloß<lb/>
Grenwitz aufhielt; ja Felix' Kammerdiener behauptete:<lb/></p></div></body></text></TEI>
[120/0130]
denken und ſprechen und thöricht handeln ſind be¬
kanntlich ſehr heterogene Dinge, die ganz vortrefflich
Hand in Hand gehen können.
Freilich mochte es einem leidenſchaftlichen Herzen
ſchwer fallen, von ſo viel Schönheit, Anmuth und
Geiſt nicht gerührt zu werden. Empfanden doch Alle,
die mit Helene in Berührung kamen, den wunderbaren
Zauber ihrer Perſönlichkeit; ſchien es doch faſt un¬
möglich, nicht mit Heftigkeit für oder gegen ſie Partei
zu nehmen; gab es doch ſelbſt in der Geſindeſtube
unter den Leuten lebhafte Scenen, da der ſchweigſame
Kutſcher, auf die junge Baroneſſe anſpielend, brummte:
es ſei nicht Alles Gold, was glänze, worauf die alte
brave Köchin erwiederte: zu ſchlechten und misgün¬
ſtigen Menſchen kämen die lieben Engel allerdings
nicht, was denn eine unerquickliche Debatte über
ſchlechte Menſchen im Allgemeinen und Beſondern
herbeiführte, bei der es von beiden Seiten ziemlich
ſcharf herging und, wie es bei ſolchen Gelegenheiten
zu geſchehen pflegt, verſchiedene helle Streiflichter auf
die Familienangelegenheiten der gnädigen Herrſchaft
geworfen wurden. Denn ſelbſt in dieſen Regionen
war man ſo ziemlich darüber einig, daß Baron Felix
ſich nicht bloß zum Vergnügen ſo lange auf Schloß
Grenwitz aufhielt; ja Felix' Kammerdiener behauptete:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/130>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.