dessen eine gänzliche Windstille eingetreten und die Leute hatten sich mit den schweren Rudern -- zur Verzweiflung des Baron Felix, der sie vom Strande aus durch ein Taschenteleskop beobachtete -- Zoll um Zoll hinüber arbeiten müssen. So war der Abend bereits tief hereingesunken, als der Baron zum zweiten Male -- diesmal mit dem Kasten -- von dem Fährdorfe aufbrach. Er war in einer fürchter¬ lichen Laune. Er hatte versprochen, heute noch auf Grenwitz einzutreffen, da er "den Augenblick, seine schöne Cousine zu sehen, nicht erwarten könne." Eine Verzögerung seiner Ankunft konnte ihm leicht übel ausgelegt werden. Besser also, in tiefer Nacht, als gar nicht kommen. Auf der andern Seite aber war eine nächtliche Fahrt durch Wald und feuchtes Moor -- noch dazu in einem offnen Wagen -- keineswegs nach dem Geschmacke des jungen Ex-Lieutenants, der -- jedenfalls in Folge der ungeheuren Strapazen auf dem Exercierplatze und bei den Paraden -- sehr an Rheumatismus litt und eine Erkältung wie die Pest fürchtete. Er wählte also von den zwei Uebeln, sich dem Verdacht der Gleichgültigkeit, oder der Gefahr einer Erkältung auszusetzen, das kleinere und drohte nur seinem Jean, daß er (Baron Felix) von der Größe seines Schnupfens morgen früh die Größe der
deſſen eine gänzliche Windſtille eingetreten und die Leute hatten ſich mit den ſchweren Rudern — zur Verzweiflung des Baron Felix, der ſie vom Strande aus durch ein Taſchenteleskop beobachtete — Zoll um Zoll hinüber arbeiten müſſen. So war der Abend bereits tief hereingeſunken, als der Baron zum zweiten Male — diesmal mit dem Kaſten — von dem Fährdorfe aufbrach. Er war in einer fürchter¬ lichen Laune. Er hatte verſprochen, heute noch auf Grenwitz einzutreffen, da er „den Augenblick, ſeine ſchöne Couſine zu ſehen, nicht erwarten könne.“ Eine Verzögerung ſeiner Ankunft konnte ihm leicht übel ausgelegt werden. Beſſer alſo, in tiefer Nacht, als gar nicht kommen. Auf der andern Seite aber war eine nächtliche Fahrt durch Wald und feuchtes Moor — noch dazu in einem offnen Wagen — keineswegs nach dem Geſchmacke des jungen Ex-Lieutenants, der — jedenfalls in Folge der ungeheuren Strapazen auf dem Exercierplatze und bei den Paraden — ſehr an Rheumatismus litt und eine Erkältung wie die Peſt fürchtete. Er wählte alſo von den zwei Uebeln, ſich dem Verdacht der Gleichgültigkeit, oder der Gefahr einer Erkältung auszuſetzen, das kleinere und drohte nur ſeinem Jean, daß er (Baron Felix) von der Größe ſeines Schnupfens morgen früh die Größe der
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deſſen eine gänzliche Windſtille eingetreten und
die Leute hatten ſich mit den ſchweren Rudern
— zur Verzweiflung des Baron Felix, der ſie vom
Strande aus durch ein Taſchenteleskop beobachtete —
Zoll um Zoll hinüber arbeiten müſſen. So war der
Abend bereits tief hereingeſunken, als der Baron zum
zweiten Male — diesmal mit dem Kaſten — von
dem Fährdorfe aufbrach. Er war in einer fürchter¬
lichen Laune. Er hatte verſprochen, heute noch auf
Grenwitz einzutreffen, da er „den Augenblick, ſeine
ſchöne Couſine zu ſehen, nicht erwarten könne.“ Eine
Verzögerung ſeiner Ankunft konnte ihm leicht übel
ausgelegt werden. Beſſer alſo, in tiefer Nacht, als
gar nicht kommen. Auf der andern Seite aber war
eine nächtliche Fahrt durch Wald und feuchtes Moor
— noch dazu in einem offnen Wagen — keineswegs
nach dem Geſchmacke des jungen Ex-Lieutenants, der
— jedenfalls in Folge der ungeheuren Strapazen auf
dem Exercierplatze und bei den Paraden — ſehr an
Rheumatismus litt und eine Erkältung wie die Peſt
fürchtete. Er wählte alſo von den zwei Uebeln, ſich
dem Verdacht der Gleichgültigkeit, oder der Gefahr
einer Erkältung auszuſetzen, das kleinere und drohte
nur ſeinem Jean, daß er (Baron Felix) von der
Größe ſeines Schnupfens morgen früh die Größe der
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/12>, abgerufen am 23.11.2024.
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