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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

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Bewunderung, die von Neid frei, ganz frei ist, und
noch einmal: ich wünsche Ihnen Heil und Segen von
ganzem Herzen!"

Herr Bemperlein ergriff Oswald's beide Hände
und drückte sie mit Lebhaftigkeit. Die Augen standen
ihm voll Thränen; er war innerlichst erschüttert.

"Und ich danke Ihnen von ganzem Herzen," sagte
Oswald gerührt. "Das Urtheil eines Mannes, den
ich so tief achte, ist mir tausendmal mehr werth, als
das Urtheil der dummen, blinden Welt. Die Welt
wird unsere Liebe verketzern und verdammen, aber die
Welt weiß nichts von Gerechtigkeit."

"Nein," sagte Herr Bemperlein, "und dennoch ist
sie unsere Richterin, deren Ausspruch wir uns fügen
müssen, wir mögen wollen oder nicht. Und dieser
Gedanke ist es, welcher für meine Augen einen tiefen
Schatten auf das sonnige Bild einer so reinen, un¬
eigennützigen Liebe wirft. Doch ich will Ihr Herz,
das in diesem Augenblicke schon schwer genug ist,
nicht noch schwerer machen. Dem Starken und
Muthigen hilft das Glück. Sie sind ja stark und
muthig, und sind es doppelt und dreifach, weil Sie
lieben. Es soll ja der Glaube Berge versetzen können.
Was dem Glauben gelingt, kann der Liebe nicht un¬
möglich sein. Doch still, da kommt die gnädige Frau."

Bewunderung, die von Neid frei, ganz frei iſt, und
noch einmal: ich wünſche Ihnen Heil und Segen von
ganzem Herzen!“

Herr Bemperlein ergriff Oswald's beide Hände
und drückte ſie mit Lebhaftigkeit. Die Augen ſtanden
ihm voll Thränen; er war innerlichſt erſchüttert.

„Und ich danke Ihnen von ganzem Herzen,“ ſagte
Oswald gerührt. „Das Urtheil eines Mannes, den
ich ſo tief achte, iſt mir tauſendmal mehr werth, als
das Urtheil der dummen, blinden Welt. Die Welt
wird unſere Liebe verketzern und verdammen, aber die
Welt weiß nichts von Gerechtigkeit.“

„Nein,“ ſagte Herr Bemperlein, „und dennoch iſt
ſie unſere Richterin, deren Ausſpruch wir uns fügen
müſſen, wir mögen wollen oder nicht. Und dieſer
Gedanke iſt es, welcher für meine Augen einen tiefen
Schatten auf das ſonnige Bild einer ſo reinen, un¬
eigennützigen Liebe wirft. Doch ich will Ihr Herz,
das in dieſem Augenblicke ſchon ſchwer genug iſt,
nicht noch ſchwerer machen. Dem Starken und
Muthigen hilft das Glück. Sie ſind ja ſtark und
muthig, und ſind es doppelt und dreifach, weil Sie
lieben. Es ſoll ja der Glaube Berge verſetzen können.
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möglich ſein. Doch ſtill, da kommt die gnädige Frau.“

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[82/0092] Bewunderung, die von Neid frei, ganz frei iſt, und noch einmal: ich wünſche Ihnen Heil und Segen von ganzem Herzen!“ Herr Bemperlein ergriff Oswald's beide Hände und drückte ſie mit Lebhaftigkeit. Die Augen ſtanden ihm voll Thränen; er war innerlichſt erſchüttert. „Und ich danke Ihnen von ganzem Herzen,“ ſagte Oswald gerührt. „Das Urtheil eines Mannes, den ich ſo tief achte, iſt mir tauſendmal mehr werth, als das Urtheil der dummen, blinden Welt. Die Welt wird unſere Liebe verketzern und verdammen, aber die Welt weiß nichts von Gerechtigkeit.“ „Nein,“ ſagte Herr Bemperlein, „und dennoch iſt ſie unſere Richterin, deren Ausſpruch wir uns fügen müſſen, wir mögen wollen oder nicht. Und dieſer Gedanke iſt es, welcher für meine Augen einen tiefen Schatten auf das ſonnige Bild einer ſo reinen, un¬ eigennützigen Liebe wirft. Doch ich will Ihr Herz, das in dieſem Augenblicke ſchon ſchwer genug iſt, nicht noch ſchwerer machen. Dem Starken und Muthigen hilft das Glück. Sie ſind ja ſtark und muthig, und ſind es doppelt und dreifach, weil Sie lieben. Es ſoll ja der Glaube Berge verſetzen können. Was dem Glauben gelingt, kann der Liebe nicht un¬ möglich ſein. Doch ſtill, da kommt die gnädige Frau.“

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/92>, abgerufen am 24.11.2024.