bewegt hat, das Heirathen eine moralische Unmöglich¬ keit ist. Ich will keine Frau, die so blasirt wäre, nicht von mir hören zu wollen: ich liebe Dich! und wie kann ich das, ohne mir selbst lächerlich vorzu¬ kommen, zu ihr sagen, wenn ich es schon so und so vielen anderen in allen mir bekannten Sprachen ge¬ sagt habe? Nein, nein! mit solchen Gesinnungen mag man Türke werden und sich einen Harem anschaffen, aber für die monogamische Ehe im höchsten, reinsten Sinne, wo sie eine wunderbare Alchymie ist, die aus den Zweien Eines macht, für diese Ehe, die auch ich heilig halte, ist man wahrlich zu schlecht."
"Und doch," sagte Oswald, "liegt in der wahren Liebe eine reinigende und heiligende Macht, vor der alle Zweifel an uns selbst verschwinden, wie der Nebel vor den Strahlen der Sonne. Die wahre Liebe wischt, wie der echte Haß "von der Tafel der Erinnerung weg alle thörichten Geschichten" und macht uns mit einem Schlage aus wüsten Barbaren zu zartfühlenden, feinsinnigen Hellenen. Die rohe Kraft, die vorher sich nur bethätigen wollte, gleichviel ob sie schaffte oder zerstörte, nimmt jetzt Form an, und wo sie früher einen Siva schuf, dessen glühender Blick alle Creatur verzehrt, schafft sie jetzt einen olympischen Zeus, der Alles, was ist, mit Vateraugen segnet."
bewegt hat, das Heirathen eine moraliſche Unmöglich¬ keit iſt. Ich will keine Frau, die ſo blaſirt wäre, nicht von mir hören zu wollen: ich liebe Dich! und wie kann ich das, ohne mir ſelbſt lächerlich vorzu¬ kommen, zu ihr ſagen, wenn ich es ſchon ſo und ſo vielen anderen in allen mir bekannten Sprachen ge¬ ſagt habe? Nein, nein! mit ſolchen Geſinnungen mag man Türke werden und ſich einen Harem anſchaffen, aber für die monogamiſche Ehe im höchſten, reinſten Sinne, wo ſie eine wunderbare Alchymie iſt, die aus den Zweien Eines macht, für dieſe Ehe, die auch ich heilig halte, iſt man wahrlich zu ſchlecht.“
„Und doch,“ ſagte Oswald, „liegt in der wahren Liebe eine reinigende und heiligende Macht, vor der alle Zweifel an uns ſelbſt verſchwinden, wie der Nebel vor den Strahlen der Sonne. Die wahre Liebe wiſcht, wie der echte Haß „von der Tafel der Erinnerung weg alle thörichten Geſchichten“ und macht uns mit einem Schlage aus wüſten Barbaren zu zartfühlenden, feinſinnigen Hellenen. Die rohe Kraft, die vorher ſich nur bethätigen wollte, gleichviel ob ſie ſchaffte oder zerſtörte, nimmt jetzt Form an, und wo ſie früher einen Siva ſchuf, deſſen glühender Blick alle Creatur verzehrt, ſchafft ſie jetzt einen olympiſchen Zeus, der Alles, was iſt, mit Vateraugen ſegnet.“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0039"n="29"/>
bewegt hat, das Heirathen eine moraliſche Unmöglich¬<lb/>
keit iſt. Ich will keine Frau, die ſo blaſirt wäre,<lb/>
nicht von mir hören zu wollen: ich liebe Dich! und<lb/>
wie kann ich das, ohne mir ſelbſt lächerlich vorzu¬<lb/>
kommen, zu ihr ſagen, wenn ich es ſchon ſo und ſo<lb/>
vielen anderen in allen mir bekannten Sprachen ge¬<lb/>ſagt habe? Nein, nein! mit ſolchen Geſinnungen mag<lb/>
man Türke werden und ſich einen Harem anſchaffen,<lb/>
aber für die monogamiſche Ehe im höchſten, reinſten<lb/>
Sinne, wo ſie eine wunderbare Alchymie iſt, die aus<lb/>
den Zweien Eines macht, für dieſe Ehe, die auch ich<lb/>
heilig halte, iſt man wahrlich zu ſchlecht.“</p><lb/><p>„Und doch,“ſagte Oswald, „liegt in der wahren<lb/>
Liebe eine reinigende und heiligende Macht, vor der<lb/>
alle Zweifel an uns ſelbſt verſchwinden, wie der Nebel<lb/>
vor den Strahlen der Sonne. Die wahre Liebe wiſcht,<lb/>
wie der echte Haß „von der Tafel der Erinnerung<lb/>
weg alle thörichten Geſchichten“ und macht uns mit<lb/>
einem Schlage aus wüſten Barbaren zu zartfühlenden,<lb/>
feinſinnigen Hellenen. Die rohe Kraft, die vorher<lb/>ſich nur bethätigen wollte, gleichviel ob ſie ſchaffte<lb/>
oder zerſtörte, nimmt jetzt Form an, und wo ſie früher<lb/>
einen Siva ſchuf, deſſen glühender Blick alle Creatur<lb/>
verzehrt, ſchafft ſie jetzt einen olympiſchen Zeus, der<lb/>
Alles, was iſt, mit Vateraugen ſegnet.“<lb/></p></div></body></text></TEI>
[29/0039]
bewegt hat, das Heirathen eine moraliſche Unmöglich¬
keit iſt. Ich will keine Frau, die ſo blaſirt wäre,
nicht von mir hören zu wollen: ich liebe Dich! und
wie kann ich das, ohne mir ſelbſt lächerlich vorzu¬
kommen, zu ihr ſagen, wenn ich es ſchon ſo und ſo
vielen anderen in allen mir bekannten Sprachen ge¬
ſagt habe? Nein, nein! mit ſolchen Geſinnungen mag
man Türke werden und ſich einen Harem anſchaffen,
aber für die monogamiſche Ehe im höchſten, reinſten
Sinne, wo ſie eine wunderbare Alchymie iſt, die aus
den Zweien Eines macht, für dieſe Ehe, die auch ich
heilig halte, iſt man wahrlich zu ſchlecht.“
„Und doch,“ ſagte Oswald, „liegt in der wahren
Liebe eine reinigende und heiligende Macht, vor der
alle Zweifel an uns ſelbſt verſchwinden, wie der Nebel
vor den Strahlen der Sonne. Die wahre Liebe wiſcht,
wie der echte Haß „von der Tafel der Erinnerung
weg alle thörichten Geſchichten“ und macht uns mit
einem Schlage aus wüſten Barbaren zu zartfühlenden,
feinſinnigen Hellenen. Die rohe Kraft, die vorher
ſich nur bethätigen wollte, gleichviel ob ſie ſchaffte
oder zerſtörte, nimmt jetzt Form an, und wo ſie früher
einen Siva ſchuf, deſſen glühender Blick alle Creatur
verzehrt, ſchafft ſie jetzt einen olympiſchen Zeus, der
Alles, was iſt, mit Vateraugen ſegnet.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/39>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.