ganz Anderer zu sein schien. Mehr aber noch, als der veränderte Anzug war es der veränderte Aus¬ druck des Gesichtes, der Oswald auffiel. Der höhnische Zug um den Mund, den selbst der dichte Bart nicht ganz verdecken konnte, die scharfen kleinen Fältchen auf der hohen Stirn, um die Augen und die Nasen¬ flügel -- Alles war von einem freundlichen Lächeln ausgelöscht, das den grauen, sonst so stechenden Augen einen Ausdruck von Milde und Gutmüthigkeit gab, den Oswald, so weit er auch von seinem Vorurtheil gegen den Baron zurückgekommen war, niemals für möglich gehalten haben würde. Ja, der Gedanke, daß ein Weib diesen seltsamen Mann von ganzem Herzen lieben könnte, schien ihm nicht mehr so wunderlich, wie auf dem Balle in Barnewitz. Er dachte an das Blatt in Melitta's Album, er dachte an seine eigenen Worte: Dieser Mann wird niemals glücklich sein, weil er niemals wird glücklich sein wollen, und an Melitta's Antwort: "Darum ist dieser Mann aus meinem Leben losgelöst, wie sein Bild aus diesem Album," und er sagte sich jetzt: er hätte glücklich sein können, wenn er gewollt hätte; warum wollte er es nicht? was trennte diese Beiden? wer von ihnen sprach das Wort, das sie -- wie es scheint -- auf ewig trennte?
Diese Gedanken erweckten heute in Oswald nicht
ganz Anderer zu ſein ſchien. Mehr aber noch, als der veränderte Anzug war es der veränderte Aus¬ druck des Geſichtes, der Oswald auffiel. Der höhniſche Zug um den Mund, den ſelbſt der dichte Bart nicht ganz verdecken konnte, die ſcharfen kleinen Fältchen auf der hohen Stirn, um die Augen und die Naſen¬ flügel — Alles war von einem freundlichen Lächeln ausgelöſcht, das den grauen, ſonſt ſo ſtechenden Augen einen Ausdruck von Milde und Gutmüthigkeit gab, den Oswald, ſo weit er auch von ſeinem Vorurtheil gegen den Baron zurückgekommen war, niemals für möglich gehalten haben würde. Ja, der Gedanke, daß ein Weib dieſen ſeltſamen Mann von ganzem Herzen lieben könnte, ſchien ihm nicht mehr ſo wunderlich, wie auf dem Balle in Barnewitz. Er dachte an das Blatt in Melitta's Album, er dachte an ſeine eigenen Worte: Dieſer Mann wird niemals glücklich ſein, weil er niemals wird glücklich ſein wollen, und an Melitta's Antwort: „Darum iſt dieſer Mann aus meinem Leben losgelöſt, wie ſein Bild aus dieſem Album,“ und er ſagte ſich jetzt: er hätte glücklich ſein können, wenn er gewollt hätte; warum wollte er es nicht? was trennte dieſe Beiden? wer von ihnen ſprach das Wort, das ſie — wie es ſcheint — auf ewig trennte?
Dieſe Gedanken erweckten heute in Oswald nicht
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ganz Anderer zu ſein ſchien. Mehr aber noch, als
der veränderte Anzug war es der veränderte Aus¬
druck des Geſichtes, der Oswald auffiel. Der höhniſche
Zug um den Mund, den ſelbſt der dichte Bart nicht
ganz verdecken konnte, die ſcharfen kleinen Fältchen
auf der hohen Stirn, um die Augen und die Naſen¬
flügel — Alles war von einem freundlichen Lächeln
ausgelöſcht, das den grauen, ſonſt ſo ſtechenden Augen
einen Ausdruck von Milde und Gutmüthigkeit gab,
den Oswald, ſo weit er auch von ſeinem Vorurtheil
gegen den Baron zurückgekommen war, niemals für
möglich gehalten haben würde. Ja, der Gedanke, daß
ein Weib dieſen ſeltſamen Mann von ganzem Herzen
lieben könnte, ſchien ihm nicht mehr ſo wunderlich,
wie auf dem Balle in Barnewitz. Er dachte an das
Blatt in Melitta's Album, er dachte an ſeine eigenen
Worte: Dieſer Mann wird niemals glücklich ſein, weil
er niemals wird glücklich ſein wollen, und an Melitta's
Antwort: „Darum iſt dieſer Mann aus meinem Leben
losgelöſt, wie ſein Bild aus dieſem Album,“ und er
ſagte ſich jetzt: er hätte glücklich ſein können, wenn
er gewollt hätte; warum wollte er es nicht? was
trennte dieſe Beiden? wer von ihnen ſprach das Wort,
das ſie — wie es ſcheint — auf ewig trennte?
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/35>, abgerufen am 16.07.2024.
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