vielen Sorgen, die auf mich einstürmen, unterliegen soll."
Die Baronin hatte sich auf ein kleines Sopha gesetzt; sie schien sehr erregt und trocknete sich mit dem Taschentuche die nassen Augen.
"Was hast Du, liebe Mama?" sagte Fräulein Helene mit wirklicher Theilnahme; "ich bin nur ein einfältiges unerfahrenes Mädchen, aber wenn Du Ver¬ trauen zu mir haben kannst, theile Dich mir mit. Wenn ich Dir auch nicht rathen und helfen kann, so vermag ich doch vielleicht Dich zu trösten, und das würde mir eine unendliche Freude bereiten."
"Liebes Kind," sagte die Baronin, "Du bist so lange -- komm, setze Dich hier zu mir und laß uns einmal recht vertraulich mit einander reden -- Du bist so lange vom elterlichen Hause entfernt gewesen und warst noch so jung, als Du es verließest, daß Du nothwendigerweise von unsern Verhältnissen so gut wie gänzlich ununterrichtet bist. Du glaubst, wir seien reich, sehr reich; aber es ist beinahe das Gegen¬ theil der Fall, für uns Frauen wenigstens. Das ganze große Vermögen fällt nach des Vaters Tode -- den der allmächtige Gott in seiner Gnade noch recht lange verhüten möge -- an Deinen Bruder. Mir bleibt, außer einer sehr geringen Wittwepension, nichts
vielen Sorgen, die auf mich einſtürmen, unterliegen ſoll.“
Die Baronin hatte ſich auf ein kleines Sopha geſetzt; ſie ſchien ſehr erregt und trocknete ſich mit dem Taſchentuche die naſſen Augen.
„Was haſt Du, liebe Mama?“ ſagte Fräulein Helene mit wirklicher Theilnahme; „ich bin nur ein einfältiges unerfahrenes Mädchen, aber wenn Du Ver¬ trauen zu mir haben kannſt, theile Dich mir mit. Wenn ich Dir auch nicht rathen und helfen kann, ſo vermag ich doch vielleicht Dich zu tröſten, und das würde mir eine unendliche Freude bereiten.“
„Liebes Kind,“ ſagte die Baronin, „Du biſt ſo lange — komm, ſetze Dich hier zu mir und laß uns einmal recht vertraulich mit einander reden — Du biſt ſo lange vom elterlichen Hauſe entfernt geweſen und warſt noch ſo jung, als Du es verließeſt, daß Du nothwendigerweiſe von unſern Verhältniſſen ſo gut wie gänzlich ununterrichtet biſt. Du glaubſt, wir ſeien reich, ſehr reich; aber es iſt beinahe das Gegen¬ theil der Fall, für uns Frauen wenigſtens. Das ganze große Vermögen fällt nach des Vaters Tode — den der allmächtige Gott in ſeiner Gnade noch recht lange verhüten möge — an Deinen Bruder. Mir bleibt, außer einer ſehr geringen Wittwepenſion, nichts
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[208/0218]
vielen Sorgen, die auf mich einſtürmen, unterliegen
ſoll.“
Die Baronin hatte ſich auf ein kleines Sopha
geſetzt; ſie ſchien ſehr erregt und trocknete ſich mit
dem Taſchentuche die naſſen Augen.
„Was haſt Du, liebe Mama?“ ſagte Fräulein
Helene mit wirklicher Theilnahme; „ich bin nur ein
einfältiges unerfahrenes Mädchen, aber wenn Du Ver¬
trauen zu mir haben kannſt, theile Dich mir mit.
Wenn ich Dir auch nicht rathen und helfen kann, ſo
vermag ich doch vielleicht Dich zu tröſten, und das
würde mir eine unendliche Freude bereiten.“
„Liebes Kind,“ ſagte die Baronin, „Du biſt ſo
lange — komm, ſetze Dich hier zu mir und laß uns
einmal recht vertraulich mit einander reden — Du
biſt ſo lange vom elterlichen Hauſe entfernt geweſen
und warſt noch ſo jung, als Du es verließeſt, daß
Du nothwendigerweiſe von unſern Verhältniſſen ſo
gut wie gänzlich ununterrichtet biſt. Du glaubſt, wir
ſeien reich, ſehr reich; aber es iſt beinahe das Gegen¬
theil der Fall, für uns Frauen wenigſtens. Das ganze
große Vermögen fällt nach des Vaters Tode — den
der allmächtige Gott in ſeiner Gnade noch recht lange
verhüten möge — an Deinen Bruder. Mir bleibt,
außer einer ſehr geringen Wittwepenſion, nichts
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/218>, abgerufen am 16.02.2025.
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