freue mich, daß Du nicht müßig bist, daß Du das Talent hast, Dich zweckmäßig zu beschäftigen. Ich fürchtete schon, die Monotonie unsers Lebens hier würde doch gar zu sehr von dem muntern Treiben in der Pension abstechen, und Du würdest diesen Unter¬ schied schmerzlich empfinden. Wir können Dir hier so wenig bieten! das war immer mein Refrain, wenn der gute Vater darauf drang, Dich endlich einmal aus der Pension zu nehmen."
"Aber ich versichere Dich, liebe Mama, Du hast Dir ganz unnöthige Sorge meinethalben gemacht," sagte Fräulein Helene, die dargebotene Hand der Mut¬ ter an die Lippe ziehend; "ich fühle mich hier sehr glücklich, und wie wäre das auch anders möglich! Bin ich nicht im elterlichen Hause, wo mir Alle mit Liebe oder doch mit Freundlichkeit entgegenkommen? habe ich nicht Alles, was ich nur wünschen kann? Ich wäre wahrlich sehr, sehr undankbar, könnte ich das auch nur einen Augenblick vergessen."
"Du bist ein gutes, verständiges Kind," sagte die Baronin, ihre schöne Tochter auf die Stirn küssend, "ich werde noch recht viel Freude an Dir erleben. Das ist meine sichere Hoffnung, wie es mein tägliches Gebet ist. Ach, meine liebe Tochter, glaube mir, ich bedarf gar sehr dieses Trostes, wenn ich nicht den
freue mich, daß Du nicht müßig biſt, daß Du das Talent haſt, Dich zweckmäßig zu beſchäftigen. Ich fürchtete ſchon, die Monotonie unſers Lebens hier würde doch gar zu ſehr von dem muntern Treiben in der Penſion abſtechen, und Du würdeſt dieſen Unter¬ ſchied ſchmerzlich empfinden. Wir können Dir hier ſo wenig bieten! das war immer mein Refrain, wenn der gute Vater darauf drang, Dich endlich einmal aus der Penſion zu nehmen.“
„Aber ich verſichere Dich, liebe Mama, Du haſt Dir ganz unnöthige Sorge meinethalben gemacht,“ ſagte Fräulein Helene, die dargebotene Hand der Mut¬ ter an die Lippe ziehend; „ich fühle mich hier ſehr glücklich, und wie wäre das auch anders möglich! Bin ich nicht im elterlichen Hauſe, wo mir Alle mit Liebe oder doch mit Freundlichkeit entgegenkommen? habe ich nicht Alles, was ich nur wünſchen kann? Ich wäre wahrlich ſehr, ſehr undankbar, könnte ich das auch nur einen Augenblick vergeſſen.“
„Du biſt ein gutes, verſtändiges Kind,“ ſagte die Baronin, ihre ſchöne Tochter auf die Stirn küſſend, „ich werde noch recht viel Freude an Dir erleben. Das iſt meine ſichere Hoffnung, wie es mein tägliches Gebet iſt. Ach, meine liebe Tochter, glaube mir, ich bedarf gar ſehr dieſes Troſtes, wenn ich nicht den
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freue mich, daß Du nicht müßig biſt, daß Du das
Talent haſt, Dich zweckmäßig zu beſchäftigen. Ich
fürchtete ſchon, die Monotonie unſers Lebens hier
würde doch gar zu ſehr von dem muntern Treiben in
der Penſion abſtechen, und Du würdeſt dieſen Unter¬
ſchied ſchmerzlich empfinden. Wir können Dir hier
ſo wenig bieten! das war immer mein Refrain, wenn
der gute Vater darauf drang, Dich endlich einmal
aus der Penſion zu nehmen.“
„Aber ich verſichere Dich, liebe Mama, Du haſt
Dir ganz unnöthige Sorge meinethalben gemacht,“
ſagte Fräulein Helene, die dargebotene Hand der Mut¬
ter an die Lippe ziehend; „ich fühle mich hier ſehr
glücklich, und wie wäre das auch anders möglich!
Bin ich nicht im elterlichen Hauſe, wo mir Alle mit
Liebe oder doch mit Freundlichkeit entgegenkommen?
habe ich nicht Alles, was ich nur wünſchen kann?
Ich wäre wahrlich ſehr, ſehr undankbar, könnte ich
das auch nur einen Augenblick vergeſſen.“
„Du biſt ein gutes, verſtändiges Kind,“ ſagte die
Baronin, ihre ſchöne Tochter auf die Stirn küſſend,
„ich werde noch recht viel Freude an Dir erleben.
Das iſt meine ſichere Hoffnung, wie es mein tägliches
Gebet iſt. Ach, meine liebe Tochter, glaube mir, ich
bedarf gar ſehr dieſes Troſtes, wenn ich nicht den
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/217>, abgerufen am 16.02.2025.
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