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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

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seiner Tasche genommen hatte und durch die Hand
laufen ließ, um den für Oswald bestimmten heraus¬
zusuchen, fiel ihm einer auf, auf welchem die Adresse
offenbar von Oldenburg's höchst eigenthümlicher und
schwer mit einer andern zu verwechselnder Handschrift
war. Der Brief war an des Barons Verwalter in
Cona adressirt. Weshalb sollte der Baron nicht an
seinen Verwalter schreiben dürfen? Aber Oswald
erfuhr auch zugleich durch den Poststempel den Ort,
von welchem aus dieser Brief abgesandt war; und
dieser Ort war derselbe, wohin man Berger geschickt
hatte, derselbe, wo Herr von Berkow seit sieben Jah¬
ren -- und wo Melitta seit vierzehn Tagen war, das
heißt, zwei Tage länger, als die geheimnißvolle Reise
Oldenburg's gedauert hatte! In dem ausführlichen
Briefe Melitta's, den Oswald vor einigen Tagen durch
Baumann erhielt, hatte sie des Barons Anwesenheit
mit keinem Worte erwähnt; Baumann selbst aber
mußte durch Bemperlein davon unterrichtet gewesen
sein, denn er war in Verlegenheit gerathen, als er
die Personen nannte, die bei dem Besuche, welchen
Melitta ihrem sterbenden Gemahl machte, zugegen ge¬
wesen waren. Warum dieses geheimnißvolle Wesen
bei einem Manne, der die Geradheit und Offenheit
selbst schien? war er dazu beauftragt, oder hatte er,

ſeiner Taſche genommen hatte und durch die Hand
laufen ließ, um den für Oswald beſtimmten heraus¬
zuſuchen, fiel ihm einer auf, auf welchem die Adreſſe
offenbar von Oldenburg's höchſt eigenthümlicher und
ſchwer mit einer andern zu verwechſelnder Handſchrift
war. Der Brief war an des Barons Verwalter in
Cona adreſſirt. Weshalb ſollte der Baron nicht an
ſeinen Verwalter ſchreiben dürfen? Aber Oswald
erfuhr auch zugleich durch den Poſtſtempel den Ort,
von welchem aus dieſer Brief abgeſandt war; und
dieſer Ort war derſelbe, wohin man Berger geſchickt
hatte, derſelbe, wo Herr von Berkow ſeit ſieben Jah¬
ren — und wo Melitta ſeit vierzehn Tagen war, das
heißt, zwei Tage länger, als die geheimnißvolle Reiſe
Oldenburg's gedauert hatte! In dem ausführlichen
Briefe Melitta's, den Oswald vor einigen Tagen durch
Baumann erhielt, hatte ſie des Barons Anweſenheit
mit keinem Worte erwähnt; Baumann ſelbſt aber
mußte durch Bemperlein davon unterrichtet geweſen
ſein, denn er war in Verlegenheit gerathen, als er
die Perſonen nannte, die bei dem Beſuche, welchen
Melitta ihrem ſterbenden Gemahl machte, zugegen ge¬
weſen waren. Warum dieſes geheimnißvolle Weſen
bei einem Manne, der die Geradheit und Offenheit
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[205/0215] ſeiner Taſche genommen hatte und durch die Hand laufen ließ, um den für Oswald beſtimmten heraus¬ zuſuchen, fiel ihm einer auf, auf welchem die Adreſſe offenbar von Oldenburg's höchſt eigenthümlicher und ſchwer mit einer andern zu verwechſelnder Handſchrift war. Der Brief war an des Barons Verwalter in Cona adreſſirt. Weshalb ſollte der Baron nicht an ſeinen Verwalter ſchreiben dürfen? Aber Oswald erfuhr auch zugleich durch den Poſtſtempel den Ort, von welchem aus dieſer Brief abgeſandt war; und dieſer Ort war derſelbe, wohin man Berger geſchickt hatte, derſelbe, wo Herr von Berkow ſeit ſieben Jah¬ ren — und wo Melitta ſeit vierzehn Tagen war, das heißt, zwei Tage länger, als die geheimnißvolle Reiſe Oldenburg's gedauert hatte! In dem ausführlichen Briefe Melitta's, den Oswald vor einigen Tagen durch Baumann erhielt, hatte ſie des Barons Anweſenheit mit keinem Worte erwähnt; Baumann ſelbſt aber mußte durch Bemperlein davon unterrichtet geweſen ſein, denn er war in Verlegenheit gerathen, als er die Perſonen nannte, die bei dem Beſuche, welchen Melitta ihrem ſterbenden Gemahl machte, zugegen ge¬ weſen waren. Warum dieſes geheimnißvolle Weſen bei einem Manne, der die Geradheit und Offenheit ſelbſt ſchien? war er dazu beauftragt, oder hatte er,

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/215>, abgerufen am 24.11.2024.