"Wie?" sagte der Baron stehen bleibend; "sind Sie wirklich ein solcher Neuling in der Liebe, daß ich Ihnen in allem Ernst die Erklärung zu dieser Farce geben muß? Glauben Sie wirklich, daß ich -- dem doch sonst so leicht nichts entgeht -- Sie nicht schon längst hinter den Myrthengebüschen bemerkt hatte, ehe ich zu Hortense's Füßen sank, und die Sonne, obgleich sie untergegangen war, und den Mond, ob¬ gleich er nicht schien und die Sterne, die es besser wu߬ ten, zu Zeugen meiner heißen Liebe anrief? das hätten Sie auch nur einen Augenblick für Ernst gehalten?"
"Was war es denn?"
"Eine Allegorie. Ich wollte Ihnen zeigen: sieh! dies bleibt mir übrig, wenn Du meine Liebe ver¬ schmähst! Du zwingst mich, der ich immerdar vor einer Heiligen anbeten möchte, in den Armen einer Buhlerin Vergessenheit zu suchen. Melitta, Melitta; gestehe es! Du wußtest recht gut, daß dies eine Farce war; aber es war Dir bequem, sie für Ernst zu nehmen. Du wolltest von mir befreit sein, selbst um den Preis -- eines Mißverständnisses!"
"Und wenn dies mein Wille gewesen wäre, -- und ich will annehmen, es war mein Wille -- ist es nicht des Mannes Pflicht, den Willen einer Frau, noch dazu einer Frau, die er liebt, zu ehren?"
„Wie?“ ſagte der Baron ſtehen bleibend; „ſind Sie wirklich ein ſolcher Neuling in der Liebe, daß ich Ihnen in allem Ernſt die Erklärung zu dieſer Farce geben muß? Glauben Sie wirklich, daß ich — dem doch ſonſt ſo leicht nichts entgeht — Sie nicht ſchon längſt hinter den Myrthengebüſchen bemerkt hatte, ehe ich zu Hortenſe's Füßen ſank, und die Sonne, obgleich ſie untergegangen war, und den Mond, ob¬ gleich er nicht ſchien und die Sterne, die es beſſer wu߬ ten, zu Zeugen meiner heißen Liebe anrief? das hätten Sie auch nur einen Augenblick für Ernſt gehalten?“
„Was war es denn?“
„Eine Allegorie. Ich wollte Ihnen zeigen: ſieh! dies bleibt mir übrig, wenn Du meine Liebe ver¬ ſchmähſt! Du zwingſt mich, der ich immerdar vor einer Heiligen anbeten möchte, in den Armen einer Buhlerin Vergeſſenheit zu ſuchen. Melitta, Melitta; geſtehe es! Du wußteſt recht gut, daß dies eine Farce war; aber es war Dir bequem, ſie für Ernſt zu nehmen. Du wollteſt von mir befreit ſein, ſelbſt um den Preis — eines Mißverſtändniſſes!“
„Und wenn dies mein Wille geweſen wäre, — und ich will annehmen, es war mein Wille — iſt es nicht des Mannes Pflicht, den Willen einer Frau, noch dazu einer Frau, die er liebt, zu ehren?“
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„Wie?“ ſagte der Baron ſtehen bleibend; „ſind
Sie wirklich ein ſolcher Neuling in der Liebe, daß ich
Ihnen in allem Ernſt die Erklärung zu dieſer Farce
geben muß? Glauben Sie wirklich, daß ich — dem
doch ſonſt ſo leicht nichts entgeht — Sie nicht ſchon
längſt hinter den Myrthengebüſchen bemerkt hatte,
ehe ich zu Hortenſe's Füßen ſank, und die Sonne,
obgleich ſie untergegangen war, und den Mond, ob¬
gleich er nicht ſchien und die Sterne, die es beſſer wu߬
ten, zu Zeugen meiner heißen Liebe anrief? das hätten
Sie auch nur einen Augenblick für Ernſt gehalten?“
„Was war es denn?“
„Eine Allegorie. Ich wollte Ihnen zeigen: ſieh!
dies bleibt mir übrig, wenn Du meine Liebe ver¬
ſchmähſt! Du zwingſt mich, der ich immerdar vor
einer Heiligen anbeten möchte, in den Armen einer
Buhlerin Vergeſſenheit zu ſuchen. Melitta, Melitta;
geſtehe es! Du wußteſt recht gut, daß dies eine Farce
war; aber es war Dir bequem, ſie für Ernſt zu
nehmen. Du wollteſt von mir befreit ſein, ſelbſt
um den Preis — eines Mißverſtändniſſes!“
„Und wenn dies mein Wille geweſen wäre, —
und ich will annehmen, es war mein Wille — iſt es
nicht des Mannes Pflicht, den Willen einer Frau,
noch dazu einer Frau, die er liebt, zu ehren?“
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/204>, abgerufen am 16.02.2025.
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