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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

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"Von Baron Oldenburg," erwiederte dieser; "des
Barons Wagen hält vor der Thür."

Oswald erbrach das Billet und las:

"Lieber Freund! Wenn Sie die lehrbegierige Brut
loswerden können und sonst nichts Besseres zu thun
haben, wollen Sie nicht einem einsamen Hypochonder
auf ein paar Stunden Gesellschaft leisten und sich bei
der Gelegenheit überzeugen, wie gut unserm Heide¬
blümchen die Versetzung in das fremde Erdreich be¬
kommt? Mein Kutscher ist der Ueberbringer dieses.
Er hat den Auftrag, mit Ihnen oder auf Ihnen zurück¬
zukommen. Also -- wählen Sie! Ihr Oldenburg."

Oswald schwankte, was er thun sollte. Mit dem
Sonnenschein war die Sehnsucht nach Melitta mächtig
in seinem Herzen erwacht. Er konnte es nicht be¬
greifen, daß er drei volle Tage hatte vorübergehen
lassen, ohne auch nur einen Versuch zu machen, sie zu
sehen. Und dennoch, trotzdem er wußte, daß die
Wolke, die sich an dem Ballabend zwischen sie und
ihn gelagert hatte, längst verschwunden war, trotzdem
er ihr sein Unrecht tausend und tausendmal im Herzen
abgebeten hatte, scheute er sich, den ersten Schritt zur
Versöhnung zu thun. -- Wer kennte nicht die Wider¬
sprüche, in die sich ein junges Herz so leicht verirrt,
wenn Stolz und Liebe sich in ihm streiten! und

„Von Baron Oldenburg,“ erwiederte dieſer; „des
Barons Wagen hält vor der Thür.“

Oswald erbrach das Billet und las:

„Lieber Freund! Wenn Sie die lehrbegierige Brut
loswerden können und ſonſt nichts Beſſeres zu thun
haben, wollen Sie nicht einem einſamen Hypochonder
auf ein paar Stunden Geſellſchaft leiſten und ſich bei
der Gelegenheit überzeugen, wie gut unſerm Heide¬
blümchen die Verſetzung in das fremde Erdreich be¬
kommt? Mein Kutſcher iſt der Ueberbringer dieſes.
Er hat den Auftrag, mit Ihnen oder auf Ihnen zurück¬
zukommen. Alſo — wählen Sie! Ihr Oldenburg.“

Oswald ſchwankte, was er thun ſollte. Mit dem
Sonnenſchein war die Sehnſucht nach Melitta mächtig
in ſeinem Herzen erwacht. Er konnte es nicht be¬
greifen, daß er drei volle Tage hatte vorübergehen
laſſen, ohne auch nur einen Verſuch zu machen, ſie zu
ſehen. Und dennoch, trotzdem er wußte, daß die
Wolke, die ſich an dem Ballabend zwiſchen ſie und
ihn gelagert hatte, längſt verſchwunden war, trotzdem
er ihr ſein Unrecht tauſend und tauſendmal im Herzen
abgebeten hatte, ſcheute er ſich, den erſten Schritt zur
Verſöhnung zu thun. — Wer kennte nicht die Wider¬
ſprüche, in die ſich ein junges Herz ſo leicht verirrt,
wenn Stolz und Liebe ſich in ihm ſtreiten! und

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[10/0020] „Von Baron Oldenburg,“ erwiederte dieſer; „des Barons Wagen hält vor der Thür.“ Oswald erbrach das Billet und las: „Lieber Freund! Wenn Sie die lehrbegierige Brut loswerden können und ſonſt nichts Beſſeres zu thun haben, wollen Sie nicht einem einſamen Hypochonder auf ein paar Stunden Geſellſchaft leiſten und ſich bei der Gelegenheit überzeugen, wie gut unſerm Heide¬ blümchen die Verſetzung in das fremde Erdreich be¬ kommt? Mein Kutſcher iſt der Ueberbringer dieſes. Er hat den Auftrag, mit Ihnen oder auf Ihnen zurück¬ zukommen. Alſo — wählen Sie! Ihr Oldenburg.“ Oswald ſchwankte, was er thun ſollte. Mit dem Sonnenſchein war die Sehnſucht nach Melitta mächtig in ſeinem Herzen erwacht. Er konnte es nicht be¬ greifen, daß er drei volle Tage hatte vorübergehen laſſen, ohne auch nur einen Verſuch zu machen, ſie zu ſehen. Und dennoch, trotzdem er wußte, daß die Wolke, die ſich an dem Ballabend zwiſchen ſie und ihn gelagert hatte, längſt verſchwunden war, trotzdem er ihr ſein Unrecht tauſend und tauſendmal im Herzen abgebeten hatte, ſcheute er ſich, den erſten Schritt zur Verſöhnung zu thun. — Wer kennte nicht die Wider¬ ſprüche, in die ſich ein junges Herz ſo leicht verirrt, wenn Stolz und Liebe ſich in ihm ſtreiten! und

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/20>, abgerufen am 27.11.2024.