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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

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zusammen durch den Garten schlendern sieht. Diese
rührende Freundschaft hindert indessen Bruno nicht,
sich bei jeder Gelegenheit als mein Ritter zu geriren.
Der Junge sieht mir wahrlich an den Augen ab, was
ich will und wünsche; oder vielmehr er ahnt und weiß
es, ohne daß er mich nur anzusehen brauchte. Es ist
mir manchmal ordentlich unheimlich dabei. Wenn ich
auf dem Spaziergange denke, Du könntest auch wohl
ohne Tuch gehen, sagt Bruno sicher: soll ich Dir das
Tuch ein wenig tragen, Helene? Bei Tisch, wo er
neben mir sitzt, reicht er mir nur, was ich gern habe,
anderes läßt er vorübergehen und sagt: daß ißt Du
doch nicht, Helene! Er ist ein zu lieber Junge, ob¬
gleich eigentlich dieser Name nicht mehr recht auf ihn
paßt, denn er wird nächstens sechszehn Jahr, und ist
groß und stark und schön, wie ein junger Achill. Ich
glaube, er würde für mich durchs Feuer gehen; ins
Wasser wenigstens ist er gestern schon für mich ge¬
sprungen. Wir gingen des Abends auf dem Wall
spazieren und ein plötzlicher Windstoß warf meinen run¬
den Strohhut -- Du kennst ihn ja -- in den Graben.
Mein armer Hut! rief ich. -- Willst Du ihn wieder
haben? fragte Bruno. -- Ei natürlich, sagte ich, --
aber nur im Scherz, denn ich weiß, daß der Graben
sehr tief ist und an dieser Stelle war er noch dazu

zuſammen durch den Garten ſchlendern ſieht. Dieſe
rührende Freundſchaft hindert indeſſen Bruno nicht,
ſich bei jeder Gelegenheit als mein Ritter zu geriren.
Der Junge ſieht mir wahrlich an den Augen ab, was
ich will und wünſche; oder vielmehr er ahnt und weiß
es, ohne daß er mich nur anzuſehen brauchte. Es iſt
mir manchmal ordentlich unheimlich dabei. Wenn ich
auf dem Spaziergange denke, Du könnteſt auch wohl
ohne Tuch gehen, ſagt Bruno ſicher: ſoll ich Dir das
Tuch ein wenig tragen, Helene? Bei Tiſch, wo er
neben mir ſitzt, reicht er mir nur, was ich gern habe,
anderes läßt er vorübergehen und ſagt: daß ißt Du
doch nicht, Helene! Er iſt ein zu lieber Junge, ob¬
gleich eigentlich dieſer Name nicht mehr recht auf ihn
paßt, denn er wird nächſtens ſechszehn Jahr, und iſt
groß und ſtark und ſchön, wie ein junger Achill. Ich
glaube, er würde für mich durchs Feuer gehen; ins
Waſſer wenigſtens iſt er geſtern ſchon für mich ge¬
ſprungen. Wir gingen des Abends auf dem Wall
ſpazieren und ein plötzlicher Windſtoß warf meinen run¬
den Strohhut — Du kennſt ihn ja — in den Graben.
Mein armer Hut! rief ich. — Willſt Du ihn wieder
haben? fragte Bruno. — Ei natürlich, ſagte ich, —
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[186/0196] zuſammen durch den Garten ſchlendern ſieht. Dieſe rührende Freundſchaft hindert indeſſen Bruno nicht, ſich bei jeder Gelegenheit als mein Ritter zu geriren. Der Junge ſieht mir wahrlich an den Augen ab, was ich will und wünſche; oder vielmehr er ahnt und weiß es, ohne daß er mich nur anzuſehen brauchte. Es iſt mir manchmal ordentlich unheimlich dabei. Wenn ich auf dem Spaziergange denke, Du könnteſt auch wohl ohne Tuch gehen, ſagt Bruno ſicher: ſoll ich Dir das Tuch ein wenig tragen, Helene? Bei Tiſch, wo er neben mir ſitzt, reicht er mir nur, was ich gern habe, anderes läßt er vorübergehen und ſagt: daß ißt Du doch nicht, Helene! Er iſt ein zu lieber Junge, ob¬ gleich eigentlich dieſer Name nicht mehr recht auf ihn paßt, denn er wird nächſtens ſechszehn Jahr, und iſt groß und ſtark und ſchön, wie ein junger Achill. Ich glaube, er würde für mich durchs Feuer gehen; ins Waſſer wenigſtens iſt er geſtern ſchon für mich ge¬ ſprungen. Wir gingen des Abends auf dem Wall ſpazieren und ein plötzlicher Windſtoß warf meinen run¬ den Strohhut — Du kennſt ihn ja — in den Graben. Mein armer Hut! rief ich. — Willſt Du ihn wieder haben? fragte Bruno. — Ei natürlich, ſagte ich, — aber nur im Scherz, denn ich weiß, daß der Graben ſehr tief iſt und an dieſer Stelle war er noch dazu

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/196>, abgerufen am 22.11.2024.