Majestät. Die Gesellschaft, obgleich sie die Ueber¬ treibungen wol herausfühlte, horchte mit athemloser Spannung, und Oswald empfand es als den schönsten Lohn seiner phantastischen Improvisation, daß die großen, glänzenden Augen Helene's während seines Vertrages mit einem Ausdruck halb der Verwunde¬ rung und halb des Zweifels unverwandt auf ihn ge¬ richtet waren.
Er war so ganz die Seele der Gesellschaft ge¬ worden, daß man es ihm ernstlich übel zu nehmen schien, als er gleich nach der Abendmahlzeit erklärte, den verabredeten Spaziergang durch den Buchenwald nach dem Strande nicht mitmachen zu können, da morgen Posttag sei und er einige sehr wichtige Briefe zu schreiben habe. Wenn Oswald die bekannte Regel, sich in dem Augenblicke aus einer Gesellschaft zurück¬ zuziehen, wo man sich ihr unentbehrlich gemacht hat, durch diese Weigerung befolgen wollte, so konnte er mit der beabsichtigten Wirkung vollkommen zufrieden sein. Fräulein Helene wenigstens ließ sich herab, ihn direct zum Bleiben aufzufordern, und wandte sich, als er bei seinem Vorhaben beharrte, so kurz von ihm weg, daß ihr Unmuth nur zu ersichtlich war.
Indessen Oswald hatte diesmal andere und bessere Gründe, die ihn nicht zu bleiben bestimmten. Der
10*
Majeſtät. Die Geſellſchaft, obgleich ſie die Ueber¬ treibungen wol herausfühlte, horchte mit athemloſer Spannung, und Oswald empfand es als den ſchönſten Lohn ſeiner phantaſtiſchen Improviſation, daß die großen, glänzenden Augen Helene's während ſeines Vertrages mit einem Ausdruck halb der Verwunde¬ rung und halb des Zweifels unverwandt auf ihn ge¬ richtet waren.
Er war ſo ganz die Seele der Geſellſchaft ge¬ worden, daß man es ihm ernſtlich übel zu nehmen ſchien, als er gleich nach der Abendmahlzeit erklärte, den verabredeten Spaziergang durch den Buchenwald nach dem Strande nicht mitmachen zu können, da morgen Poſttag ſei und er einige ſehr wichtige Briefe zu ſchreiben habe. Wenn Oswald die bekannte Regel, ſich in dem Augenblicke aus einer Geſellſchaft zurück¬ zuziehen, wo man ſich ihr unentbehrlich gemacht hat, durch dieſe Weigerung befolgen wollte, ſo konnte er mit der beabſichtigten Wirkung vollkommen zufrieden ſein. Fräulein Helene wenigſtens ließ ſich herab, ihn direct zum Bleiben aufzufordern, und wandte ſich, als er bei ſeinem Vorhaben beharrte, ſo kurz von ihm weg, daß ihr Unmuth nur zu erſichtlich war.
Indeſſen Oswald hatte diesmal andere und beſſere Gründe, die ihn nicht zu bleiben beſtimmten. Der
10*
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0157"n="147"/>
Majeſtät. Die Geſellſchaft, obgleich ſie die Ueber¬<lb/>
treibungen wol herausfühlte, horchte mit athemloſer<lb/>
Spannung, und Oswald empfand es als den ſchönſten<lb/>
Lohn ſeiner phantaſtiſchen Improviſation, daß die<lb/>
großen, glänzenden Augen Helene's während ſeines<lb/>
Vertrages mit einem Ausdruck halb der Verwunde¬<lb/>
rung und halb des Zweifels unverwandt auf ihn ge¬<lb/>
richtet waren.</p><lb/><p>Er war ſo ganz die Seele der Geſellſchaft ge¬<lb/>
worden, daß man es ihm ernſtlich übel zu nehmen<lb/>ſchien, als er gleich nach der Abendmahlzeit erklärte,<lb/>
den verabredeten Spaziergang durch den Buchenwald<lb/>
nach dem Strande nicht mitmachen zu können, da<lb/>
morgen Poſttag ſei und er einige ſehr wichtige Briefe<lb/>
zu ſchreiben habe. Wenn Oswald die bekannte Regel,<lb/>ſich in dem Augenblicke aus einer Geſellſchaft zurück¬<lb/>
zuziehen, wo man ſich ihr unentbehrlich gemacht hat,<lb/>
durch dieſe Weigerung befolgen wollte, ſo konnte er<lb/>
mit der beabſichtigten Wirkung vollkommen zufrieden<lb/>ſein. Fräulein Helene wenigſtens ließ ſich herab, ihn<lb/>
direct zum Bleiben aufzufordern, und wandte ſich, als<lb/>
er bei ſeinem Vorhaben beharrte, ſo kurz von ihm<lb/>
weg, daß ihr Unmuth nur zu erſichtlich war.</p><lb/><p>Indeſſen Oswald hatte diesmal andere und beſſere<lb/>
Gründe, die ihn nicht zu bleiben beſtimmten. Der<lb/><fwplace="bottom"type="sig">10*<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[147/0157]
Majeſtät. Die Geſellſchaft, obgleich ſie die Ueber¬
treibungen wol herausfühlte, horchte mit athemloſer
Spannung, und Oswald empfand es als den ſchönſten
Lohn ſeiner phantaſtiſchen Improviſation, daß die
großen, glänzenden Augen Helene's während ſeines
Vertrages mit einem Ausdruck halb der Verwunde¬
rung und halb des Zweifels unverwandt auf ihn ge¬
richtet waren.
Er war ſo ganz die Seele der Geſellſchaft ge¬
worden, daß man es ihm ernſtlich übel zu nehmen
ſchien, als er gleich nach der Abendmahlzeit erklärte,
den verabredeten Spaziergang durch den Buchenwald
nach dem Strande nicht mitmachen zu können, da
morgen Poſttag ſei und er einige ſehr wichtige Briefe
zu ſchreiben habe. Wenn Oswald die bekannte Regel,
ſich in dem Augenblicke aus einer Geſellſchaft zurück¬
zuziehen, wo man ſich ihr unentbehrlich gemacht hat,
durch dieſe Weigerung befolgen wollte, ſo konnte er
mit der beabſichtigten Wirkung vollkommen zufrieden
ſein. Fräulein Helene wenigſtens ließ ſich herab, ihn
direct zum Bleiben aufzufordern, und wandte ſich, als
er bei ſeinem Vorhaben beharrte, ſo kurz von ihm
weg, daß ihr Unmuth nur zu erſichtlich war.
Indeſſen Oswald hatte diesmal andere und beſſere
Gründe, die ihn nicht zu bleiben beſtimmten. Der
10*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/157>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.