rauschendes und zuletzt tödliches Gift. Ich muß den Doctor öfter zu Rathe ziehen. Ein klarer Kopf, der die Dinge und Menschen und Verhältnisse stets in dem rechten Lichte sieht. Aber in Betreff der zwischen Fräulein Helene und ihrem Vetter projectirten Hei¬ rath irrt er sich doch. Erstens ist sie noch viel zu jung, zweitens ist sie viel zu schön und drittens will ich es nicht. Hören Sie, Madame la Baronesse: ich will es nicht! Sie werden Ihr sauberes Project nicht ausführen, wenn Sie auch noch so sehr mit ihren großen herrschsüchtigen Augen rollen und sich zu Ihrer ganzen stattlichen Höhe emporrichten.
Es war ein Glück, daß Oswald diese Worte nicht pathetisch in den stillen Garten hineindeclamirte, son¬ dern nur leise durch die Zähne murmelte, denn wie er eben um eine Ecke des Walles bog, die durch ein dichtes weit vorspringendes Gebüsch noch schärfer ge¬ macht wurde, fand er sich plötzlich Fräulein Helene, die von der andern Seite kam, gegenüber. Dies Zu¬ sammentreffen war für beide Theile so überraschend, daß das junge Mädchen nur mit Mühe einen leisen Schrei unterdrückte, und Oswald, sehr gegen seine Gewohnheit, geradezu verlegen wurde und nicht wußte, ob er die junge Dame anreden, oder grüßend stumm vorübergehen solle.
rauſchendes und zuletzt tödliches Gift. Ich muß den Doctor öfter zu Rathe ziehen. Ein klarer Kopf, der die Dinge und Menſchen und Verhältniſſe ſtets in dem rechten Lichte ſieht. Aber in Betreff der zwiſchen Fräulein Helene und ihrem Vetter projectirten Hei¬ rath irrt er ſich doch. Erſtens iſt ſie noch viel zu jung, zweitens iſt ſie viel zu ſchön und drittens will ich es nicht. Hören Sie, Madame la Baroneſſe: ich will es nicht! Sie werden Ihr ſauberes Project nicht ausführen, wenn Sie auch noch ſo ſehr mit ihren großen herrſchſüchtigen Augen rollen und ſich zu Ihrer ganzen ſtattlichen Höhe emporrichten.
Es war ein Glück, daß Oswald dieſe Worte nicht pathetiſch in den ſtillen Garten hineindeclamirte, ſon¬ dern nur leiſe durch die Zähne murmelte, denn wie er eben um eine Ecke des Walles bog, die durch ein dichtes weit vorſpringendes Gebüſch noch ſchärfer ge¬ macht wurde, fand er ſich plötzlich Fräulein Helene, die von der andern Seite kam, gegenüber. Dies Zu¬ ſammentreffen war für beide Theile ſo überraſchend, daß das junge Mädchen nur mit Mühe einen leiſen Schrei unterdrückte, und Oswald, ſehr gegen ſeine Gewohnheit, geradezu verlegen wurde und nicht wußte, ob er die junge Dame anreden, oder grüßend ſtumm vorübergehen ſolle.
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rauſchendes und zuletzt tödliches Gift. Ich muß den
Doctor öfter zu Rathe ziehen. Ein klarer Kopf, der
die Dinge und Menſchen und Verhältniſſe ſtets in
dem rechten Lichte ſieht. Aber in Betreff der zwiſchen
Fräulein Helene und ihrem Vetter projectirten Hei¬
rath irrt er ſich doch. Erſtens iſt ſie noch viel zu
jung, zweitens iſt ſie viel zu ſchön und drittens will
ich es nicht. Hören Sie, Madame la Baroneſſe:
ich will es nicht! Sie werden Ihr ſauberes Project
nicht ausführen, wenn Sie auch noch ſo ſehr mit
ihren großen herrſchſüchtigen Augen rollen und ſich zu
Ihrer ganzen ſtattlichen Höhe emporrichten.
Es war ein Glück, daß Oswald dieſe Worte nicht
pathetiſch in den ſtillen Garten hineindeclamirte, ſon¬
dern nur leiſe durch die Zähne murmelte, denn wie
er eben um eine Ecke des Walles bog, die durch ein
dichtes weit vorſpringendes Gebüſch noch ſchärfer ge¬
macht wurde, fand er ſich plötzlich Fräulein Helene,
die von der andern Seite kam, gegenüber. Dies Zu¬
ſammentreffen war für beide Theile ſo überraſchend,
daß das junge Mädchen nur mit Mühe einen leiſen
Schrei unterdrückte, und Oswald, ſehr gegen ſeine
Gewohnheit, geradezu verlegen wurde und nicht wußte,
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/150>, abgerufen am 16.02.2025.
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