Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Eindruck auf den wilden Knaben gemacht hatte, aber
wie groß, wie allmächtig dieser Eindruck war, welche
Revolution in dieser frühreifen, übermächtigen Natur
eine erste, wie ein Lavastrom hereinbrechende Liebe
hervorgebracht hatte -- das ahnte er nicht. Er
scherzte über seines Lieblings feurigen Enthusiasmus,
um so witziger und feiner, als er denselben in nicht
geringem Grade theilte, und Bruno, der sich von
Oswald Alles gefallen ließ, lachte mit und lächelnd
und scherzend sagten sie sich gute Nacht. Bruno
ging in seine Kammer, Oswald setzte sich wieder in
den Lehnstuhl . . .

Auf dem Tisch vor dem Sopha brannte die Lampe,
aber so dunkel, daß man das Flimmern des Mondes,
der eben über die Buchen des Walles heraufstieg,
wol in der Stube bemerkte; ein einzelner Stern in
der Nähe der Mondsichel schimmerte aus dem tiefen
Blau des nächtlichen Himmels. Durch das offene
Fenster strömte die weiche balsamische Nachtluft --
es war so still, daß man die fallenden Thautropfen
deutlich hörte. Und jetzt, während Oswald saß und
lauschte, klangen, wie die Töne einer Aeolsharfe, auf
einem Fügel mit kunstgeübter Hand angeschlagene Ac¬
corde zu ihm herüber, erst leise, leise als fürchtete
man die Nacht aus dem Schlafe zu wecken, dann

Eindruck auf den wilden Knaben gemacht hatte, aber
wie groß, wie allmächtig dieſer Eindruck war, welche
Revolution in dieſer frühreifen, übermächtigen Natur
eine erſte, wie ein Lavaſtrom hereinbrechende Liebe
hervorgebracht hatte — das ahnte er nicht. Er
ſcherzte über ſeines Lieblings feurigen Enthuſiasmus,
um ſo witziger und feiner, als er denſelben in nicht
geringem Grade theilte, und Bruno, der ſich von
Oswald Alles gefallen ließ, lachte mit und lächelnd
und ſcherzend ſagten ſie ſich gute Nacht. Bruno
ging in ſeine Kammer, Oswald ſetzte ſich wieder in
den Lehnſtuhl . . .

Auf dem Tiſch vor dem Sopha brannte die Lampe,
aber ſo dunkel, daß man das Flimmern des Mondes,
der eben über die Buchen des Walles heraufſtieg,
wol in der Stube bemerkte; ein einzelner Stern in
der Nähe der Mondſichel ſchimmerte aus dem tiefen
Blau des nächtlichen Himmels. Durch das offene
Fenſter ſtrömte die weiche balſamiſche Nachtluft —
es war ſo ſtill, daß man die fallenden Thautropfen
deutlich hörte. Und jetzt, während Oswald ſaß und
lauſchte, klangen, wie die Töne einer Aeolsharfe, auf
einem Fügel mit kunſtgeübter Hand angeſchlagene Ac¬
corde zu ihm herüber, erſt leiſe, leiſe als fürchtete
man die Nacht aus dem Schlafe zu wecken, dann

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0142" n="132"/>
Eindruck auf den wilden Knaben gemacht hatte, aber<lb/>
wie groß, wie allmächtig die&#x017F;er Eindruck war, welche<lb/>
Revolution in die&#x017F;er frühreifen, übermächtigen Natur<lb/>
eine er&#x017F;te, wie ein Lava&#x017F;trom hereinbrechende Liebe<lb/>
hervorgebracht hatte &#x2014; das ahnte er nicht. Er<lb/>
&#x017F;cherzte über &#x017F;eines Lieblings feurigen Enthu&#x017F;iasmus,<lb/>
um &#x017F;o witziger und feiner, als er den&#x017F;elben in nicht<lb/>
geringem Grade theilte, und Bruno, der &#x017F;ich von<lb/>
Oswald Alles gefallen ließ, lachte mit und lächelnd<lb/>
und &#x017F;cherzend &#x017F;agten &#x017F;ie &#x017F;ich gute Nacht. Bruno<lb/>
ging in &#x017F;eine Kammer, Oswald &#x017F;etzte &#x017F;ich wieder in<lb/>
den Lehn&#x017F;tuhl . . .</p><lb/>
        <p>Auf dem Ti&#x017F;ch vor dem Sopha brannte die Lampe,<lb/>
aber &#x017F;o dunkel, daß man das Flimmern des Mondes,<lb/>
der eben über die Buchen des Walles herauf&#x017F;tieg,<lb/>
wol in der Stube bemerkte; ein einzelner Stern in<lb/>
der Nähe der Mond&#x017F;ichel &#x017F;chimmerte aus dem tiefen<lb/>
Blau des nächtlichen Himmels. Durch das offene<lb/>
Fen&#x017F;ter &#x017F;trömte die weiche bal&#x017F;ami&#x017F;che Nachtluft &#x2014;<lb/>
es war &#x017F;o &#x017F;till, daß man die fallenden Thautropfen<lb/>
deutlich hörte. Und jetzt, während Oswald &#x017F;aß und<lb/>
lau&#x017F;chte, klangen, wie die Töne einer Aeolsharfe, auf<lb/>
einem Fügel mit kun&#x017F;tgeübter Hand ange&#x017F;chlagene Ac¬<lb/>
corde zu ihm herüber, er&#x017F;t lei&#x017F;e, lei&#x017F;e als fürchtete<lb/>
man die Nacht aus dem Schlafe zu wecken, dann<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0142] Eindruck auf den wilden Knaben gemacht hatte, aber wie groß, wie allmächtig dieſer Eindruck war, welche Revolution in dieſer frühreifen, übermächtigen Natur eine erſte, wie ein Lavaſtrom hereinbrechende Liebe hervorgebracht hatte — das ahnte er nicht. Er ſcherzte über ſeines Lieblings feurigen Enthuſiasmus, um ſo witziger und feiner, als er denſelben in nicht geringem Grade theilte, und Bruno, der ſich von Oswald Alles gefallen ließ, lachte mit und lächelnd und ſcherzend ſagten ſie ſich gute Nacht. Bruno ging in ſeine Kammer, Oswald ſetzte ſich wieder in den Lehnſtuhl . . . Auf dem Tiſch vor dem Sopha brannte die Lampe, aber ſo dunkel, daß man das Flimmern des Mondes, der eben über die Buchen des Walles heraufſtieg, wol in der Stube bemerkte; ein einzelner Stern in der Nähe der Mondſichel ſchimmerte aus dem tiefen Blau des nächtlichen Himmels. Durch das offene Fenſter ſtrömte die weiche balſamiſche Nachtluft — es war ſo ſtill, daß man die fallenden Thautropfen deutlich hörte. Und jetzt, während Oswald ſaß und lauſchte, klangen, wie die Töne einer Aeolsharfe, auf einem Fügel mit kunſtgeübter Hand angeſchlagene Ac¬ corde zu ihm herüber, erſt leiſe, leiſe als fürchtete man die Nacht aus dem Schlafe zu wecken, dann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/142
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/142>, abgerufen am 23.11.2024.