Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.gehenden Sonne nach; hoch oben in der rosigen Luft Langsam, fast zögernd, schritt Oswald dem Schlosse Oswald fühlte sich durch das stumme und doch gehenden Sonne nach; hoch oben in der roſigen Luft Langſam, faſt zögernd, ſchritt Oswald dem Schloſſe Oswald fühlte ſich durch das ſtumme und doch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0131" n="121"/> gehenden Sonne nach; hoch oben in der roſigen Luft<lb/> ſchoſſen noch immer einzelne Schwalben, als könnten<lb/> ſie ſich heute, wo es doch gar ſo wunderſchön ſei,<lb/> gar nicht entſchließen, zur Erde zurückzukehren.</p><lb/> <p>Langſam, faſt zögernd, ſchritt Oswald dem Schloſſe<lb/> zu. Er fühlte tief den Zauber dieſer Abendſtunde und<lb/> wußte, daß das erſte Menſchenwort denſelben zerſtören<lb/> würde. Aber er begegnete Niemandem. Der ganze<lb/> Hof war wie ausgeſtorben. Er ſtieg die Wendeltreppe<lb/> hinauf und ging durch die langen Corridore, die von<lb/> ſeinem Fußtrit wiederhallten, auf ſein Zimmer. Die<lb/> Fenſter waren geöffnet, und der Lehnſtuhl in der Niſche<lb/> hatte den rechten Platz, auf dem Tiſche vor dem Sopha<lb/> ſtand eine Vaſe, angefüllt mit friſchen Blumen, der<lb/> Kopf des Apollo von Belvedere hatte ſich eine ſchmale<lb/> Krone von Epheu gefallen laſſen müſſen. Es war<lb/> aufgeräumt in dem Zimmer, aber ſo, wie es nur von<lb/> Jemand geſchehen kann, der die Eigenheiten des Be¬<lb/> wohners ganz genau kennt. Offenbar hatte hier Bru¬<lb/> no's Hand gewaltet.</p><lb/> <p>Oswald fühlte ſich durch das ſtumme und doch<lb/> ſo beredte Willkommen auf das angenehmſte berührt.<lb/> Es war wie eine warme Hand, die freundlich die ſeine<lb/> drückte, wie ein Hauch, der liebevoll ſeinen Namen<lb/> flüſterte. Der Sturm in ſeiner Seele, welchen die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [121/0131]
gehenden Sonne nach; hoch oben in der roſigen Luft
ſchoſſen noch immer einzelne Schwalben, als könnten
ſie ſich heute, wo es doch gar ſo wunderſchön ſei,
gar nicht entſchließen, zur Erde zurückzukehren.
Langſam, faſt zögernd, ſchritt Oswald dem Schloſſe
zu. Er fühlte tief den Zauber dieſer Abendſtunde und
wußte, daß das erſte Menſchenwort denſelben zerſtören
würde. Aber er begegnete Niemandem. Der ganze
Hof war wie ausgeſtorben. Er ſtieg die Wendeltreppe
hinauf und ging durch die langen Corridore, die von
ſeinem Fußtrit wiederhallten, auf ſein Zimmer. Die
Fenſter waren geöffnet, und der Lehnſtuhl in der Niſche
hatte den rechten Platz, auf dem Tiſche vor dem Sopha
ſtand eine Vaſe, angefüllt mit friſchen Blumen, der
Kopf des Apollo von Belvedere hatte ſich eine ſchmale
Krone von Epheu gefallen laſſen müſſen. Es war
aufgeräumt in dem Zimmer, aber ſo, wie es nur von
Jemand geſchehen kann, der die Eigenheiten des Be¬
wohners ganz genau kennt. Offenbar hatte hier Bru¬
no's Hand gewaltet.
Oswald fühlte ſich durch das ſtumme und doch
ſo beredte Willkommen auf das angenehmſte berührt.
Es war wie eine warme Hand, die freundlich die ſeine
drückte, wie ein Hauch, der liebevoll ſeinen Namen
flüſterte. Der Sturm in ſeiner Seele, welchen die
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