Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

einen Trunk Wasser und ein Stück Brod haben
könne?

"Stine," sagte die ältere von den drei Frauen,
eine Matrone von stattlichem Umfang und mit einem
überaus gutmüthigen, wettergebräunten Gesicht, zu
einem der beiden jungen Mädchen an ihrer Seite:
"steh auf und laß den Herren sitzen. Siehst Du
nicht, daß er zum Umfallen müde ist? Geh ins Haus
und bring, was wir haben. Setzen Se sich, junger
Herr. Se sind gewiß auch ein Maler?"

"Warum meinen Sie das?" fragte Oswald, den
angebotenen Platz annehmend.

"Nu, ein vernünftiger Mensch klettert nicht bei der
Hitze am Strande herum; das können nur Leute, die
hier (sie deutete dabei mit dem Zeigefinger auf die
Stirn) nicht ganz richtig sind. Nu, nicht für ungut,
Herr Maler. Ich hab schon einen von Ihren Ka¬
meraden bei mir wohnen gehabt, der zwei Wochen
hier geblieben ist; und wenn Se eben so ein ordent¬
licher, ehrlicher Mensch sind, so können Se auch bei
Mutter Karsten wohnen; aber die Wände dürfen
Se nicht vollkritzeln, das sag' ich Ihnen gleich im
Voraus."

Oswald mußte lächeln, als er so ohne Umstände
zu einem auf einer Studienreise begriffenen Land¬

7*

einen Trunk Waſſer und ein Stück Brod haben
könne?

„Stine,“ ſagte die ältere von den drei Frauen,
eine Matrone von ſtattlichem Umfang und mit einem
überaus gutmüthigen, wettergebräunten Geſicht, zu
einem der beiden jungen Mädchen an ihrer Seite:
„ſteh auf und laß den Herren ſitzen. Siehſt Du
nicht, daß er zum Umfallen müde iſt? Geh ins Haus
und bring, was wir haben. Setzen Se ſich, junger
Herr. Se ſind gewiß auch ein Maler?“

„Warum meinen Sie das?“ fragte Oswald, den
angebotenen Platz annehmend.

„Nu, ein vernünftiger Menſch klettert nicht bei der
Hitze am Strande herum; das können nur Leute, die
hier (ſie deutete dabei mit dem Zeigefinger auf die
Stirn) nicht ganz richtig ſind. Nu, nicht für ungut,
Herr Maler. Ich hab ſchon einen von Ihren Ka¬
meraden bei mir wohnen gehabt, der zwei Wochen
hier geblieben iſt; und wenn Se eben ſo ein ordent¬
licher, ehrlicher Menſch ſind, ſo können Se auch bei
Mutter Karſten wohnen; aber die Wände dürfen
Se nicht vollkritzeln, das ſag' ich Ihnen gleich im
Voraus.“

Oswald mußte lächeln, als er ſo ohne Umſtände
zu einem auf einer Studienreiſe begriffenen Land¬

7*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0109" n="99"/>
einen Trunk Wa&#x017F;&#x017F;er und ein Stück Brod haben<lb/>
könne?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Stine,&#x201C; &#x017F;agte die ältere von den drei Frauen,<lb/>
eine Matrone von &#x017F;tattlichem Umfang und mit einem<lb/>
überaus gutmüthigen, wettergebräunten Ge&#x017F;icht, zu<lb/>
einem der beiden jungen Mädchen an ihrer Seite:<lb/>
&#x201E;&#x017F;teh auf und laß den Herren &#x017F;itzen. Sieh&#x017F;t Du<lb/>
nicht, daß er zum Umfallen müde i&#x017F;t? Geh ins Haus<lb/>
und bring, was wir haben. Setzen Se &#x017F;ich, junger<lb/>
Herr. Se &#x017F;ind gewiß auch ein Maler?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Warum meinen Sie das?&#x201C; fragte Oswald, den<lb/>
angebotenen Platz annehmend.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nu, ein vernünftiger Men&#x017F;ch klettert nicht bei der<lb/>
Hitze am Strande herum; das können nur Leute, die<lb/>
hier (&#x017F;ie deutete dabei mit dem Zeigefinger auf die<lb/>
Stirn) nicht ganz richtig &#x017F;ind. Nu, nicht für ungut,<lb/>
Herr Maler. Ich hab &#x017F;chon einen von Ihren Ka¬<lb/>
meraden bei mir wohnen gehabt, der zwei Wochen<lb/>
hier geblieben i&#x017F;t; und wenn Se eben &#x017F;o ein ordent¬<lb/>
licher, ehrlicher Men&#x017F;ch &#x017F;ind, &#x017F;o können Se auch bei<lb/>
Mutter Kar&#x017F;ten wohnen; aber die Wände dürfen<lb/>
Se nicht vollkritzeln, das &#x017F;ag' ich Ihnen gleich im<lb/>
Voraus.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Oswald mußte lächeln, als er &#x017F;o ohne Um&#x017F;tände<lb/>
zu einem auf einer Studienrei&#x017F;e begriffenen Land¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">7*<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0109] einen Trunk Waſſer und ein Stück Brod haben könne? „Stine,“ ſagte die ältere von den drei Frauen, eine Matrone von ſtattlichem Umfang und mit einem überaus gutmüthigen, wettergebräunten Geſicht, zu einem der beiden jungen Mädchen an ihrer Seite: „ſteh auf und laß den Herren ſitzen. Siehſt Du nicht, daß er zum Umfallen müde iſt? Geh ins Haus und bring, was wir haben. Setzen Se ſich, junger Herr. Se ſind gewiß auch ein Maler?“ „Warum meinen Sie das?“ fragte Oswald, den angebotenen Platz annehmend. „Nu, ein vernünftiger Menſch klettert nicht bei der Hitze am Strande herum; das können nur Leute, die hier (ſie deutete dabei mit dem Zeigefinger auf die Stirn) nicht ganz richtig ſind. Nu, nicht für ungut, Herr Maler. Ich hab ſchon einen von Ihren Ka¬ meraden bei mir wohnen gehabt, der zwei Wochen hier geblieben iſt; und wenn Se eben ſo ein ordent¬ licher, ehrlicher Menſch ſind, ſo können Se auch bei Mutter Karſten wohnen; aber die Wände dürfen Se nicht vollkritzeln, das ſag' ich Ihnen gleich im Voraus.“ Oswald mußte lächeln, als er ſo ohne Umſtände zu einem auf einer Studienreiſe begriffenen Land¬ 7*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/109
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/109>, abgerufen am 27.11.2024.