Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.Vogelsang und das muntere Plätschern des geschwätzi¬ F. Spielhagen, Problematische Naturen. III. 7
Vogelſang und das muntere Plätſchern des geſchwätzi¬ F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. III. 7
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0107" n="97"/> Vogelſang und das muntere Plätſchern des geſchwätzi¬<lb/> gen Baches wie eine Beleidigung erſcheinen. Oswald's<lb/> Schwermuth harmonirte mit dieſer tief ernſten Natur,<lb/> die von Glück und Freude nichts zu wiſſen ſchien,<lb/> deſto mehr aber von dem Jammer und der Qual des<lb/> Lebens. Klang der gelle Schrei, das ſchrille Pfeifen<lb/> der Meeresvögel nicht wie Klaggeſang? war es nicht,<lb/> als ob das Meer in den Wellen, die ſich in monoto¬<lb/> nen Cadenzen unaufhörlich am Strande brachen, das<lb/> verworrene Räthſel der Exiſtenz wie im halben Wahn¬<lb/> ſinn vor ſich hinmurmelte? ... Und ſein eigenes Leben<lb/> kam ihm ſo ziel- und zwecklos vor, wie dies ſein<lb/> Umherirren zwiſchen den Uferklippen. Glich es nicht<lb/> ſeinem Fußtritte auf dem harten Sande, wo die nächſte<lb/> Welle ſchon die leichte Spur gänzlich verwiſchte? Wa¬<lb/> rum geboren werden, Anderen und ſich ſelbſt Schmer¬<lb/> zen und Sorgen ohne Zahl bereiten, wenn Alles doch<lb/> zu nichts führt? wenn die Vergangenheit ſich hinter<lb/> uns aufthürmt wie das ſteile unerſteigliche Ufer, die<lb/> Zukunft uns angähnt wie das öde wüſte Meer, und<lb/> die Gegenwart ein ſchmaler Streifen Sand iſt, den<lb/> die unbarmherzig glühende Sonne nur deshalb ſo grell<lb/> zu erleuchten ſcheint, um ihn in ſeiner ganzen troſtlos<lb/> dürftigen Nacktheit zu zeigen?... Und wenn wirklich<lb/> einmal das Glück uns zu lächeln ſcheint, ſo ſcheint<lb/> <fw place="bottom" type="sig">F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. <hi rendition="#aq">III</hi>. 7<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [97/0107]
Vogelſang und das muntere Plätſchern des geſchwätzi¬
gen Baches wie eine Beleidigung erſcheinen. Oswald's
Schwermuth harmonirte mit dieſer tief ernſten Natur,
die von Glück und Freude nichts zu wiſſen ſchien,
deſto mehr aber von dem Jammer und der Qual des
Lebens. Klang der gelle Schrei, das ſchrille Pfeifen
der Meeresvögel nicht wie Klaggeſang? war es nicht,
als ob das Meer in den Wellen, die ſich in monoto¬
nen Cadenzen unaufhörlich am Strande brachen, das
verworrene Räthſel der Exiſtenz wie im halben Wahn¬
ſinn vor ſich hinmurmelte? ... Und ſein eigenes Leben
kam ihm ſo ziel- und zwecklos vor, wie dies ſein
Umherirren zwiſchen den Uferklippen. Glich es nicht
ſeinem Fußtritte auf dem harten Sande, wo die nächſte
Welle ſchon die leichte Spur gänzlich verwiſchte? Wa¬
rum geboren werden, Anderen und ſich ſelbſt Schmer¬
zen und Sorgen ohne Zahl bereiten, wenn Alles doch
zu nichts führt? wenn die Vergangenheit ſich hinter
uns aufthürmt wie das ſteile unerſteigliche Ufer, die
Zukunft uns angähnt wie das öde wüſte Meer, und
die Gegenwart ein ſchmaler Streifen Sand iſt, den
die unbarmherzig glühende Sonne nur deshalb ſo grell
zu erleuchten ſcheint, um ihn in ſeiner ganzen troſtlos
dürftigen Nacktheit zu zeigen?... Und wenn wirklich
einmal das Glück uns zu lächeln ſcheint, ſo ſcheint
F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. III. 7
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