setzten Seite an den Ballsaal stieß und in welchen er bis jetzt noch nicht gewesen war. Nur hier und da brannte noch ein halb verlöschendes Licht auf einem Wandleuchter oder vor einem Spiegel, und zeigte ihm wie in einem bösen Traum ein altes verbräuntes Fa¬ milienportrait oder sein eigenes bleiches Gesicht. Die Stühle standen wirr durcheinander. Die Fenster waren mit Vorhängen verhüllt. Durch die Spalten schim¬ merte der Mond, der jetzt aufgegangen war, herein und zeichnete hier und da einen hellen Streifen auf die Teppiche des Fußbodens, Oswald trat, um frische Luft zu schöpfen, an eins dieser Fenster. Als er den dunkelrothen, schweren Vorhang zurückschlug, fuhr eine weiße Gestalt, die in der tiefen Nische des Fensters auf einem niedrigen Rohrsessel gesessen und den Kopf in die Hand gestützt hatte, scheu empor und stieß einen leisen Schrei der Ueberraschung aus. Oswald wollte den Vorhang wieder fallen lassen und sich zurückziehen, als die Gestalt einen Schritt auf ihn zutrat und die Hand nach ihm ausstreckte. . . Und ein Paar weiche Arme umschlangen ihn und ein knospender Busen wogte stürmisch an seiner Brust; zwei glühende Lippen pre߬ ten sich auf seinen Mund, und eine leise Stimme hauchte: "Oswald, o mein Gott, Oswald!"
Ein Knabe, der mit seinem Schwesterchen gespielt
ſetzten Seite an den Ballſaal ſtieß und in welchen er bis jetzt noch nicht geweſen war. Nur hier und da brannte noch ein halb verlöſchendes Licht auf einem Wandleuchter oder vor einem Spiegel, und zeigte ihm wie in einem böſen Traum ein altes verbräuntes Fa¬ milienportrait oder ſein eigenes bleiches Geſicht. Die Stühle ſtanden wirr durcheinander. Die Fenſter waren mit Vorhängen verhüllt. Durch die Spalten ſchim¬ merte der Mond, der jetzt aufgegangen war, herein und zeichnete hier und da einen hellen Streifen auf die Teppiche des Fußbodens, Oswald trat, um friſche Luft zu ſchöpfen, an eins dieſer Fenſter. Als er den dunkelrothen, ſchweren Vorhang zurückſchlug, fuhr eine weiße Geſtalt, die in der tiefen Niſche des Fenſters auf einem niedrigen Rohrſeſſel geſeſſen und den Kopf in die Hand geſtützt hatte, ſcheu empor und ſtieß einen leiſen Schrei der Ueberraſchung aus. Oswald wollte den Vorhang wieder fallen laſſen und ſich zurückziehen, als die Geſtalt einen Schritt auf ihn zutrat und die Hand nach ihm ausſtreckte. . . Und ein Paar weiche Arme umſchlangen ihn und ein knospender Buſen wogte ſtürmiſch an ſeiner Bruſt; zwei glühende Lippen pre߬ ten ſich auf ſeinen Mund, und eine leiſe Stimme hauchte: „Oswald, o mein Gott, Oswald!“
Ein Knabe, der mit ſeinem Schweſterchen geſpielt
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ſetzten Seite an den Ballſaal ſtieß und in welchen er
bis jetzt noch nicht geweſen war. Nur hier und da
brannte noch ein halb verlöſchendes Licht auf einem
Wandleuchter oder vor einem Spiegel, und zeigte ihm
wie in einem böſen Traum ein altes verbräuntes Fa¬
milienportrait oder ſein eigenes bleiches Geſicht. Die
Stühle ſtanden wirr durcheinander. Die Fenſter waren
mit Vorhängen verhüllt. Durch die Spalten ſchim¬
merte der Mond, der jetzt aufgegangen war, herein
und zeichnete hier und da einen hellen Streifen auf
die Teppiche des Fußbodens, Oswald trat, um friſche
Luft zu ſchöpfen, an eins dieſer Fenſter. Als er den
dunkelrothen, ſchweren Vorhang zurückſchlug, fuhr eine
weiße Geſtalt, die in der tiefen Niſche des Fenſters
auf einem niedrigen Rohrſeſſel geſeſſen und den Kopf
in die Hand geſtützt hatte, ſcheu empor und ſtieß einen
leiſen Schrei der Ueberraſchung aus. Oswald wollte
den Vorhang wieder fallen laſſen und ſich zurückziehen,
als die Geſtalt einen Schritt auf ihn zutrat und die
Hand nach ihm ausſtreckte. . . Und ein Paar weiche
Arme umſchlangen ihn und ein knospender Buſen wogte
ſtürmiſch an ſeiner Bruſt; zwei glühende Lippen pre߬
ten ſich auf ſeinen Mund, und eine leiſe Stimme
hauchte: „Oswald, o mein Gott, Oswald!“
Ein Knabe, der mit ſeinem Schweſterchen geſpielt
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/95>, abgerufen am 18.07.2024.
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