gewesen, wenn einer von diesen jungen Adeligen, durch seinen Uebermuth beleidigt, ihm feindlich entgegen¬ getreten wäre. Ja, er legte es darauf an, er witzelte und spöttelte auf die übermüthigste Weise; aber ent¬ weder verstanden die Halbberauschten ihn nicht oder sie hatten noch so viel Verstand behalten, einzusehen, daß ein Duell mit einem Manne, dessen Kugel unfehlbar war, eine Sache sei, die wohl bedacht sein wolle. Er suchte sich zu überreden, daß von den anwesenden Damen mehr als eine vollkommen so schön und liebens¬ würdig sei wie Melitta -- daß es lächerlich sei, sich um die Abwesende zu grämen, da ihm hier mehr wie ein feuriges Auge zu entschädigen versprach. . . Warum sollte er sich nicht in Emilie von Breesen verlieben? Warum nicht? Sie war eine Knospe, die zu einer wundervollen Rose aufblühen mußte. Warum sollte er nicht den ersten Blick in dieses schwellende Knospen¬ leben thun? sich nicht zuerst an dem Duft dieser frischen Blume berauschen? Und war sie nicht schlank und geschmeidig wie ein Reh? und war ihr rosiger Mund nicht schon zu einem wollüstigen Kusse halb geöffnet, und blickte sie nicht mit so großen, grauen, halb scheuen, halb kecken, halb neugierigen und halb verständnißklaren Augen zu ihm auf, wie er jetzt über die Lehne ihres Stuhls gebeugt mit ihr schwatzte? . . .
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geweſen, wenn einer von dieſen jungen Adeligen, durch ſeinen Uebermuth beleidigt, ihm feindlich entgegen¬ getreten wäre. Ja, er legte es darauf an, er witzelte und ſpöttelte auf die übermüthigſte Weiſe; aber ent¬ weder verſtanden die Halbberauſchten ihn nicht oder ſie hatten noch ſo viel Verſtand behalten, einzuſehen, daß ein Duell mit einem Manne, deſſen Kugel unfehlbar war, eine Sache ſei, die wohl bedacht ſein wolle. Er ſuchte ſich zu überreden, daß von den anweſenden Damen mehr als eine vollkommen ſo ſchön und liebens¬ würdig ſei wie Melitta — daß es lächerlich ſei, ſich um die Abweſende zu grämen, da ihm hier mehr wie ein feuriges Auge zu entſchädigen verſprach. . . Warum ſollte er ſich nicht in Emilie von Breeſen verlieben? Warum nicht? Sie war eine Knospe, die zu einer wundervollen Roſe aufblühen mußte. Warum ſollte er nicht den erſten Blick in dieſes ſchwellende Knospen¬ leben thun? ſich nicht zuerſt an dem Duft dieſer friſchen Blume berauſchen? Und war ſie nicht ſchlank und geſchmeidig wie ein Reh? und war ihr roſiger Mund nicht ſchon zu einem wollüſtigen Kuſſe halb geöffnet, und blickte ſie nicht mit ſo großen, grauen, halb ſcheuen, halb kecken, halb neugierigen und halb verſtändnißklaren Augen zu ihm auf, wie er jetzt über die Lehne ihres Stuhls gebeugt mit ihr ſchwatzte? . . .
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geweſen, wenn einer von dieſen jungen Adeligen, durch
ſeinen Uebermuth beleidigt, ihm feindlich entgegen¬
getreten wäre. Ja, er legte es darauf an, er witzelte
und ſpöttelte auf die übermüthigſte Weiſe; aber ent¬
weder verſtanden die Halbberauſchten ihn nicht oder
ſie hatten noch ſo viel Verſtand behalten, einzuſehen,
daß ein Duell mit einem Manne, deſſen Kugel unfehlbar
war, eine Sache ſei, die wohl bedacht ſein wolle. Er
ſuchte ſich zu überreden, daß von den anweſenden
Damen mehr als eine vollkommen ſo ſchön und liebens¬
würdig ſei wie Melitta — daß es lächerlich ſei, ſich
um die Abweſende zu grämen, da ihm hier mehr wie
ein feuriges Auge zu entſchädigen verſprach. . . Warum
ſollte er ſich nicht in Emilie von Breeſen verlieben?
Warum nicht? Sie war eine Knospe, die zu einer
wundervollen Roſe aufblühen mußte. Warum ſollte
er nicht den erſten Blick in dieſes ſchwellende Knospen¬
leben thun? ſich nicht zuerſt an dem Duft dieſer friſchen
Blume berauſchen? Und war ſie nicht ſchlank und
geſchmeidig wie ein Reh? und war ihr roſiger Mund
nicht ſchon zu einem wollüſtigen Kuſſe halb geöffnet,
und blickte ſie nicht mit ſo großen, grauen, halb ſcheuen,
halb kecken, halb neugierigen und halb verſtändnißklaren
Augen zu ihm auf, wie er jetzt über die Lehne ihres
Stuhls gebeugt mit ihr ſchwatzte? . . .
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/93>, abgerufen am 23.11.2024.
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