Kammermädchen "Evchen", ein bildhübsches Ding. Der Adam war aber ein großer Schlingel, wie die Bedienten das bekanntlich bis auf den heutigen Tag sind. Das Ding, die Eva, war auch nicht viel besser. Zuletzt trieben es die Beiden zu arg. Schließlich er¬ griff der Herr denn einmal die Hetzpeitsche und jagte die Beiden vom Hofe. In das Gesindebuch schrieb er: Entlassen wegen Unehrlichkeit, Putzsucht und Ar¬ beitsscheu. Das ist so in großen Umrissen der eigent¬ liche Verlauf der Geschichte."
"Wirklich merkwürdig -- ganz famös, auf Ehre! Haben Sie das Buch mitgebracht, Baron?"
"Nein; aber eine von dem dortigen Landrath be¬ glaubigte Abschrift."
"Giebt's denn dort auch Landräthe?"
"Aber, lieber Freund, wie kann denn ein Land ohne Landräthe bestehen?"
"Natürlich; aber es wäre doch besser, wenn wir das Buch selbst hätten."
"Vielleicht macht es sich. Die Mönche sind ent¬ setzlich obstinat; ich hatte schon vor, sie alle mit Blau¬ säure zu vergiften. Wahrscheinlich thue ich das auch noch, wenn ich wieder in die Gegend komme. Bis dahin müssen wir uns mit der Copie begnügen.
"Hören Sie, Baron, können Sie mir nicht auch
Kammermädchen „Evchen“, ein bildhübſches Ding. Der Adam war aber ein großer Schlingel, wie die Bedienten das bekanntlich bis auf den heutigen Tag ſind. Das Ding, die Eva, war auch nicht viel beſſer. Zuletzt trieben es die Beiden zu arg. Schließlich er¬ griff der Herr denn einmal die Hetzpeitſche und jagte die Beiden vom Hofe. In das Geſindebuch ſchrieb er: Entlaſſen wegen Unehrlichkeit, Putzſucht und Ar¬ beitsſcheu. Das iſt ſo in großen Umriſſen der eigent¬ liche Verlauf der Geſchichte.“
„Wirklich merkwürdig — ganz famös, auf Ehre! Haben Sie das Buch mitgebracht, Baron?“
„Nein; aber eine von dem dortigen Landrath be¬ glaubigte Abſchrift.“
„Giebt's denn dort auch Landräthe?“
„Aber, lieber Freund, wie kann denn ein Land ohne Landräthe beſtehen?“
„Natürlich; aber es wäre doch beſſer, wenn wir das Buch ſelbſt hätten.“
„Vielleicht macht es ſich. Die Mönche ſind ent¬ ſetzlich obſtinat; ich hatte ſchon vor, ſie alle mit Blau¬ ſäure zu vergiften. Wahrſcheinlich thue ich das auch noch, wenn ich wieder in die Gegend komme. Bis dahin müſſen wir uns mit der Copie begnügen.
„Hören Sie, Baron, können Sie mir nicht auch
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Kammermädchen „Evchen“, ein bildhübſches Ding.
Der Adam war aber ein großer Schlingel, wie die
Bedienten das bekanntlich bis auf den heutigen Tag
ſind. Das Ding, die Eva, war auch nicht viel beſſer.
Zuletzt trieben es die Beiden zu arg. Schließlich er¬
griff der Herr denn einmal die Hetzpeitſche und jagte
die Beiden vom Hofe. In das Geſindebuch ſchrieb
er: Entlaſſen wegen Unehrlichkeit, Putzſucht und Ar¬
beitsſcheu. Das iſt ſo in großen Umriſſen der eigent¬
liche Verlauf der Geſchichte.“
„Wirklich merkwürdig — ganz famös, auf Ehre!
Haben Sie das Buch mitgebracht, Baron?“
„Nein; aber eine von dem dortigen Landrath be¬
glaubigte Abſchrift.“
„Giebt's denn dort auch Landräthe?“
„Aber, lieber Freund, wie kann denn ein Land
ohne Landräthe beſtehen?“
„Natürlich; aber es wäre doch beſſer, wenn wir
das Buch ſelbſt hätten.“
„Vielleicht macht es ſich. Die Mönche ſind ent¬
ſetzlich obſtinat; ich hatte ſchon vor, ſie alle mit Blau¬
ſäure zu vergiften. Wahrſcheinlich thue ich das auch
noch, wenn ich wieder in die Gegend komme. Bis
dahin müſſen wir uns mit der Copie begnügen.
„Hören Sie, Baron, können Sie mir nicht auch
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/64>, abgerufen am 18.07.2024.
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