ders, als mich verlassen; sie war zu stolz, um sich wie ein Hund behandeln zu lassen. Ich habe sie be¬ handelt wie einen Hund, schlimmer wie einen Hund, ich Elender!"
Er schlug sich mit der geballten Faust vor die Stirn; dann warf er sich in einen Lehnsessel, legte den Kopf in die Hände und schluchzte: "Und doch habe ich sie geliebt! und doch liebe ich sie! o mein Gott, mein Gott!"
Es war schrecklich, den wilden Harald weinen zu sehen. Ich hob seinen Kopf in die Höhe, er legte ihn an meine Brust und weinte, wie er oft als Knabe in meinen Armen geweint hatte. Ich bat ihn, sich zu beruhigen, ich sagte ihm, daß Mariens letzte Worte gewesen seien: "ich vergebe ihm Alles."
"Und wenn sie mir auch vergeben hat, ich werde es mir nie vergeben," rief er. "Geh zu Bett, Alte. Wir wollen morgen weiter darüber sprechen."
Aber als der alte Jochen am nächsten Morgen zu ihm kam, lag Harald in hitzigem Fieber. Das währte sieben Tage, sieben fürchterliche Tage und Nächte. Da war es aus mit Harald von Grenwitz.
Die alte Frau schwieg; strich den Strumpf, an dem sie gestrickt hatte, über den Knieen glatt, legte ihn zusammen und sagte:
ders, als mich verlaſſen; ſie war zu ſtolz, um ſich wie ein Hund behandeln zu laſſen. Ich habe ſie be¬ handelt wie einen Hund, ſchlimmer wie einen Hund, ich Elender!“
Er ſchlug ſich mit der geballten Fauſt vor die Stirn; dann warf er ſich in einen Lehnſeſſel, legte den Kopf in die Hände und ſchluchzte: „Und doch habe ich ſie geliebt! und doch liebe ich ſie! o mein Gott, mein Gott!“
Es war ſchrecklich, den wilden Harald weinen zu ſehen. Ich hob ſeinen Kopf in die Höhe, er legte ihn an meine Bruſt und weinte, wie er oft als Knabe in meinen Armen geweint hatte. Ich bat ihn, ſich zu beruhigen, ich ſagte ihm, daß Mariens letzte Worte geweſen ſeien: „ich vergebe ihm Alles.“
„Und wenn ſie mir auch vergeben hat, ich werde es mir nie vergeben,“ rief er. „Geh zu Bett, Alte. Wir wollen morgen weiter darüber ſprechen.“
Aber als der alte Jochen am nächſten Morgen zu ihm kam, lag Harald in hitzigem Fieber. Das währte ſieben Tage, ſieben fürchterliche Tage und Nächte. Da war es aus mit Harald von Grenwitz.
Die alte Frau ſchwieg; ſtrich den Strumpf, an dem ſie geſtrickt hatte, über den Knieen glatt, legte ihn zuſammen und ſagte:
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0273"n="263"/>
ders, als mich verlaſſen; ſie war zu ſtolz, um ſich<lb/>
wie ein Hund behandeln zu laſſen. Ich habe ſie be¬<lb/>
handelt wie einen Hund, ſchlimmer wie einen Hund,<lb/>
ich Elender!“</p><lb/><p>Er ſchlug ſich mit der geballten Fauſt vor die<lb/>
Stirn; dann warf er ſich in einen Lehnſeſſel, legte<lb/>
den Kopf in die Hände und ſchluchzte: „Und doch<lb/>
habe ich ſie geliebt! und doch liebe ich ſie! o mein<lb/>
Gott, mein Gott!“</p><lb/><p>Es war ſchrecklich, den wilden Harald weinen zu<lb/>ſehen. Ich hob ſeinen Kopf in die Höhe, er legte<lb/>
ihn an meine Bruſt und weinte, wie er oft als Knabe<lb/>
in meinen Armen geweint hatte. Ich bat ihn, ſich<lb/>
zu beruhigen, ich ſagte ihm, daß Mariens letzte Worte<lb/>
geweſen ſeien: „ich vergebe ihm Alles.“</p><lb/><p>„Und wenn ſie mir auch vergeben hat, ich werde<lb/>
es mir nie vergeben,“ rief er. „Geh zu Bett, Alte.<lb/>
Wir wollen morgen weiter darüber ſprechen.“</p><lb/><p>Aber als der alte Jochen am nächſten Morgen zu<lb/>
ihm kam, lag Harald in hitzigem Fieber. Das währte<lb/>ſieben Tage, ſieben fürchterliche Tage und Nächte.<lb/>
Da war es aus mit Harald von Grenwitz.</p><lb/><p>Die alte Frau ſchwieg; ſtrich den Strumpf, an<lb/>
dem ſie geſtrickt hatte, über den Knieen glatt, legte<lb/>
ihn zuſammen und ſagte:</p><lb/></div></body></text></TEI>
[263/0273]
ders, als mich verlaſſen; ſie war zu ſtolz, um ſich
wie ein Hund behandeln zu laſſen. Ich habe ſie be¬
handelt wie einen Hund, ſchlimmer wie einen Hund,
ich Elender!“
Er ſchlug ſich mit der geballten Fauſt vor die
Stirn; dann warf er ſich in einen Lehnſeſſel, legte
den Kopf in die Hände und ſchluchzte: „Und doch
habe ich ſie geliebt! und doch liebe ich ſie! o mein
Gott, mein Gott!“
Es war ſchrecklich, den wilden Harald weinen zu
ſehen. Ich hob ſeinen Kopf in die Höhe, er legte
ihn an meine Bruſt und weinte, wie er oft als Knabe
in meinen Armen geweint hatte. Ich bat ihn, ſich
zu beruhigen, ich ſagte ihm, daß Mariens letzte Worte
geweſen ſeien: „ich vergebe ihm Alles.“
„Und wenn ſie mir auch vergeben hat, ich werde
es mir nie vergeben,“ rief er. „Geh zu Bett, Alte.
Wir wollen morgen weiter darüber ſprechen.“
Aber als der alte Jochen am nächſten Morgen zu
ihm kam, lag Harald in hitzigem Fieber. Das währte
ſieben Tage, ſieben fürchterliche Tage und Nächte.
Da war es aus mit Harald von Grenwitz.
Die alte Frau ſchwieg; ſtrich den Strumpf, an
dem ſie geſtrickt hatte, über den Knieen glatt, legte
ihn zuſammen und ſagte:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/273>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.