schlafen, denn ich sah, daß seine Augen wie im Fieber glühten und seine Glieder flogen. "Pah," sagte er, "schlafen? Ich habe mehr zu thun, als zu schlafen. Ich weiß nicht, wie lange ich fortbleibe, Alte; aber ich komme entweder mit ihr zurück oder -- wird's bald?" schrie er auf den Flur hinaus, "ich will Euch Beine machen, Ihr verdammten Hallunken!"
So fuhr er ab, ohne auch nur die Kleider ge¬ wechselt zu haben. Er blieb vier Wochen fort; Keiner wußte, wo er geblieben war. Eines Abends spät kam er wieder. Die erste Frage, die er an mich richtete, war: "Hast Du Nachricht von ihr?" -- Er sah so bleich und verfallen aus, daß ich ihn kaum wieder erkannte. Seine Augen waren tief in den Kopf gesunken und blitzten wie glühende Kohlen. "Ich habe sie nicht gefunden;" sagte er, als wir Beide in seinem Zimmer allein waren; "gieb mir Wein, Alte; ich muß das höllische Feuer, das in mir brennt, ersäufen."
Mich jammerte des unglücklichen Mannes, denn jetzt erst fühlte ich, wie sehr ich ihn liebte. Ich sagte ihm Alles, was ich von der Flucht Mariens wußte. Gegen mein Erwarten blieb er ruhig: "Es kommt auf eins heraus, sagte er; ob sie gestorben ist oder nicht; für mich ist sie doch todt; sie konnte nicht an¬
ſchlafen, denn ich ſah, daß ſeine Augen wie im Fieber glühten und ſeine Glieder flogen. „Pah,“ ſagte er, „ſchlafen? Ich habe mehr zu thun, als zu ſchlafen. Ich weiß nicht, wie lange ich fortbleibe, Alte; aber ich komme entweder mit ihr zurück oder — wird's bald?“ ſchrie er auf den Flur hinaus, „ich will Euch Beine machen, Ihr verdammten Hallunken!“
So fuhr er ab, ohne auch nur die Kleider ge¬ wechſelt zu haben. Er blieb vier Wochen fort; Keiner wußte, wo er geblieben war. Eines Abends ſpät kam er wieder. Die erſte Frage, die er an mich richtete, war: „Haſt Du Nachricht von ihr?“ — Er ſah ſo bleich und verfallen aus, daß ich ihn kaum wieder erkannte. Seine Augen waren tief in den Kopf geſunken und blitzten wie glühende Kohlen. „Ich habe ſie nicht gefunden;“ ſagte er, als wir Beide in ſeinem Zimmer allein waren; „gieb mir Wein, Alte; ich muß das hölliſche Feuer, das in mir brennt, erſäufen.“
Mich jammerte des unglücklichen Mannes, denn jetzt erſt fühlte ich, wie ſehr ich ihn liebte. Ich ſagte ihm Alles, was ich von der Flucht Mariens wußte. Gegen mein Erwarten blieb er ruhig: „Es kommt auf eins heraus, ſagte er; ob ſie geſtorben iſt oder nicht; für mich iſt ſie doch todt; ſie konnte nicht an¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0272"n="262"/>ſchlafen, denn ich ſah, daß ſeine Augen wie im Fieber<lb/>
glühten und ſeine Glieder flogen. „Pah,“ſagte er,<lb/>„ſchlafen? Ich habe mehr zu thun, als zu ſchlafen.<lb/>
Ich weiß nicht, wie lange ich fortbleibe, Alte; aber<lb/>
ich komme entweder mit ihr zurück oder — wird's<lb/>
bald?“ſchrie er auf den Flur hinaus, „ich will Euch<lb/>
Beine machen, Ihr verdammten Hallunken!“</p><lb/><p>So fuhr er ab, ohne auch nur die Kleider ge¬<lb/>
wechſelt zu haben. Er blieb vier Wochen fort; Keiner<lb/>
wußte, wo er geblieben war. Eines Abends ſpät<lb/>
kam er wieder. Die erſte Frage, die er an mich<lb/>
richtete, war: „Haſt Du Nachricht von ihr?“— Er<lb/>ſah ſo bleich und verfallen aus, daß ich ihn kaum<lb/>
wieder erkannte. Seine Augen waren tief in den<lb/>
Kopf geſunken und blitzten wie glühende Kohlen.<lb/>„Ich habe ſie nicht gefunden;“ſagte er, als wir<lb/>
Beide in ſeinem Zimmer allein waren; „gieb mir<lb/>
Wein, Alte; ich muß das hölliſche Feuer, das in mir<lb/>
brennt, erſäufen.“</p><lb/><p>Mich jammerte des unglücklichen Mannes, denn<lb/>
jetzt erſt fühlte ich, wie ſehr ich ihn liebte. Ich ſagte<lb/>
ihm Alles, was ich von der Flucht Mariens wußte.<lb/>
Gegen mein Erwarten blieb er ruhig: „Es kommt<lb/>
auf eins heraus, ſagte er; ob ſie geſtorben iſt oder<lb/>
nicht; für mich iſt ſie doch todt; ſie konnte nicht an¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[262/0272]
ſchlafen, denn ich ſah, daß ſeine Augen wie im Fieber
glühten und ſeine Glieder flogen. „Pah,“ ſagte er,
„ſchlafen? Ich habe mehr zu thun, als zu ſchlafen.
Ich weiß nicht, wie lange ich fortbleibe, Alte; aber
ich komme entweder mit ihr zurück oder — wird's
bald?“ ſchrie er auf den Flur hinaus, „ich will Euch
Beine machen, Ihr verdammten Hallunken!“
So fuhr er ab, ohne auch nur die Kleider ge¬
wechſelt zu haben. Er blieb vier Wochen fort; Keiner
wußte, wo er geblieben war. Eines Abends ſpät
kam er wieder. Die erſte Frage, die er an mich
richtete, war: „Haſt Du Nachricht von ihr?“ — Er
ſah ſo bleich und verfallen aus, daß ich ihn kaum
wieder erkannte. Seine Augen waren tief in den
Kopf geſunken und blitzten wie glühende Kohlen.
„Ich habe ſie nicht gefunden;“ ſagte er, als wir
Beide in ſeinem Zimmer allein waren; „gieb mir
Wein, Alte; ich muß das hölliſche Feuer, das in mir
brennt, erſäufen.“
Mich jammerte des unglücklichen Mannes, denn
jetzt erſt fühlte ich, wie ſehr ich ihn liebte. Ich ſagte
ihm Alles, was ich von der Flucht Mariens wußte.
Gegen mein Erwarten blieb er ruhig: „Es kommt
auf eins heraus, ſagte er; ob ſie geſtorben iſt oder
nicht; für mich iſt ſie doch todt; ſie konnte nicht an¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/272>, abgerufen am 18.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.