Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.auf meiner Schulter lag, flüsterte sie mir ins Ohr: Er sprang in den Wagen und schlug die Thür zu. Ich ging langsam in das Schloß zurück; und ge¬ F. Spielhagen, Problematische Naturen. ll. 17
auf meiner Schulter lag, flüſterte ſie mir ins Ohr: Er ſprang in den Wagen und ſchlug die Thür zu. Ich ging langſam in das Schloß zurück; und ge¬ F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. ll. 17
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0267" n="257"/> auf meiner Schulter lag, flüſterte ſie mir ins Ohr:<lb/> Sagen Sie ihm, daß ich ihm Alles, Alles vergeben habe!<lb/> „Schnell, ſchnell, Marie“; rief der Mann und ſtampfte<lb/> ungeduldig mit dem Fuß. Er hing ihr einen weiten<lb/> Mantel um und half ihr in den Wagen; dann wandte<lb/> er ſich zu mir: „Wenn Sie das unglückliche Mädchen<lb/> wirklich lieb haben, ſagte er, ſchweigen Sie zwei mal<lb/> vierundzwanzig Stunden. Ich bin freilich auf Alles<lb/> gefaßt, aber ich möchte um Mariens willen gern, daß<lb/> es ohne dieſe hier abginge.“ Er ſchlug mit der Hand<lb/> an die Piſtole. „Verlaſſen Sie ſich auf mich, ſagte<lb/> ich, und ich will mich auf Sie verlaſſen.“ „Thun<lb/> Sie das, ſagte er: es ſind ja nicht alle Menſchen<lb/> Schurken und Barone.“</p><lb/> <p>Er ſprang in den Wagen und ſchlug die Thür zu.<lb/> Die Pferde zogen in Galopp an, und ſchon nach<lb/> wenigen Minuten hörte ich nur noch das Sauſen des<lb/> Windes in den Tannen.</p><lb/> <p>Ich ging langſam in das Schloß zurück; und ge¬<lb/> langte auf mein Zimmer, ohne von Jemand geſehen<lb/> zu werden. Ich ſchloß hinter mir ab; dann warf ich<lb/> mich auf mein Bett, und weinte, als ob mir ein lie¬<lb/> bes Kind geſtorben wäre; und doch war ich glücklich<lb/> und dankte Gott, daß er ſich des armen Kindes er¬<lb/> barmt und ſie aus dieſer Hölle erlöſt hatte.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. <hi rendition="#aq">ll</hi>. 17<lb/></fw> </div> </body> </text> </TEI> [257/0267]
auf meiner Schulter lag, flüſterte ſie mir ins Ohr:
Sagen Sie ihm, daß ich ihm Alles, Alles vergeben habe!
„Schnell, ſchnell, Marie“; rief der Mann und ſtampfte
ungeduldig mit dem Fuß. Er hing ihr einen weiten
Mantel um und half ihr in den Wagen; dann wandte
er ſich zu mir: „Wenn Sie das unglückliche Mädchen
wirklich lieb haben, ſagte er, ſchweigen Sie zwei mal
vierundzwanzig Stunden. Ich bin freilich auf Alles
gefaßt, aber ich möchte um Mariens willen gern, daß
es ohne dieſe hier abginge.“ Er ſchlug mit der Hand
an die Piſtole. „Verlaſſen Sie ſich auf mich, ſagte
ich, und ich will mich auf Sie verlaſſen.“ „Thun
Sie das, ſagte er: es ſind ja nicht alle Menſchen
Schurken und Barone.“
Er ſprang in den Wagen und ſchlug die Thür zu.
Die Pferde zogen in Galopp an, und ſchon nach
wenigen Minuten hörte ich nur noch das Sauſen des
Windes in den Tannen.
Ich ging langſam in das Schloß zurück; und ge¬
langte auf mein Zimmer, ohne von Jemand geſehen
zu werden. Ich ſchloß hinter mir ab; dann warf ich
mich auf mein Bett, und weinte, als ob mir ein lie¬
bes Kind geſtorben wäre; und doch war ich glücklich
und dankte Gott, daß er ſich des armen Kindes er¬
barmt und ſie aus dieſer Hölle erlöſt hatte.
F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. ll. 17
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