ich war froh, wenn ich ihr möglichst weit aus dem Wege gehen konnte."
"Und wie lebte Fräulein Marie unterdessen?"
"Sie war fast immer in Harald's Gesellschaft. Ich sah sie des Morgens zusammen zwischen den thaufrischen Beeten des Gartens umherschweifen, Arm in Arm, sie die Augen verschämt niederschlagend und Harald, eifrig und leise zu ihr sprechend. Ich sah sie des Nachmittags in den kühlen Zimmern, die nach dem Park hinausliegen, sitzen, sie, mit einer Arbeit beschäftigt, die aber oft müßig in ihrem Schooß lag; ihn, aus einem Buche vorlesend, noch öfter aber den Arm auf die Lehne ihres Stuhles gestützt, während sie selig lächelnd zu ihm emporschaute, sie mit glü¬ henden Blicken verschlingend und ihr von Zeit zu Zeit das seidenweiche braune Haar aus der schönen Stirn streichend. Ich sah sie des Abends wieder draußen umherschweifen, oder in den hellerleuchteten Zimmern, Arm in Arm, langsam auf- und abwandeln, während Tante Grenwitz auf dem Sopha saß und las, oder doch that, als ob sie läse. -- Ach! es war eine köstliche Zeit für das arme Kind; und sie sah stets so glücklich und selig aus, daß es einem angst und bange wurde, wie das enden solle; und wenn sie mich traf, hatte sie stets ein freundliches Wort für
ich war froh, wenn ich ihr möglichſt weit aus dem Wege gehen konnte.“
„Und wie lebte Fräulein Marie unterdeſſen?“
„Sie war faſt immer in Harald's Geſellſchaft. Ich ſah ſie des Morgens zuſammen zwiſchen den thaufriſchen Beeten des Gartens umherſchweifen, Arm in Arm, ſie die Augen verſchämt niederſchlagend und Harald, eifrig und leiſe zu ihr ſprechend. Ich ſah ſie des Nachmittags in den kühlen Zimmern, die nach dem Park hinausliegen, ſitzen, ſie, mit einer Arbeit beſchäftigt, die aber oft müßig in ihrem Schooß lag; ihn, aus einem Buche vorleſend, noch öfter aber den Arm auf die Lehne ihres Stuhles geſtützt, während ſie ſelig lächelnd zu ihm emporſchaute, ſie mit glü¬ henden Blicken verſchlingend und ihr von Zeit zu Zeit das ſeidenweiche braune Haar aus der ſchönen Stirn ſtreichend. Ich ſah ſie des Abends wieder draußen umherſchweifen, oder in den hellerleuchteten Zimmern, Arm in Arm, langſam auf- und abwandeln, während Tante Grenwitz auf dem Sopha ſaß und las, oder doch that, als ob ſie läſe. — Ach! es war eine köſtliche Zeit für das arme Kind; und ſie ſah ſtets ſo glücklich und ſelig aus, daß es einem angſt und bange wurde, wie das enden ſolle; und wenn ſie mich traf, hatte ſie ſtets ein freundliches Wort für
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ich war froh, wenn ich ihr möglichſt weit aus dem
Wege gehen konnte.“
„Und wie lebte Fräulein Marie unterdeſſen?“
„Sie war faſt immer in Harald's Geſellſchaft.
Ich ſah ſie des Morgens zuſammen zwiſchen den
thaufriſchen Beeten des Gartens umherſchweifen, Arm
in Arm, ſie die Augen verſchämt niederſchlagend und
Harald, eifrig und leiſe zu ihr ſprechend. Ich ſah
ſie des Nachmittags in den kühlen Zimmern, die nach
dem Park hinausliegen, ſitzen, ſie, mit einer Arbeit
beſchäftigt, die aber oft müßig in ihrem Schooß lag;
ihn, aus einem Buche vorleſend, noch öfter aber den
Arm auf die Lehne ihres Stuhles geſtützt, während
ſie ſelig lächelnd zu ihm emporſchaute, ſie mit glü¬
henden Blicken verſchlingend und ihr von Zeit zu
Zeit das ſeidenweiche braune Haar aus der ſchönen
Stirn ſtreichend. Ich ſah ſie des Abends wieder
draußen umherſchweifen, oder in den hellerleuchteten
Zimmern, Arm in Arm, langſam auf- und abwandeln,
während Tante Grenwitz auf dem Sopha ſaß und
las, oder doch that, als ob ſie läſe. — Ach! es war
eine köſtliche Zeit für das arme Kind; und ſie ſah
ſtets ſo glücklich und ſelig aus, daß es einem angſt
und bange wurde, wie das enden ſolle; und wenn ſie
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/244>, abgerufen am 18.07.2024.
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