sein, und doch müßtet ihr einsehen, daß wir mittel¬ mäßigen Kinder der Natur uns zehntausendmal wohler in unserer Haut fühlen, als ihr. Wahrhaftig, Dot¬ tore, Sie können sich porträtiren und unter die Fa¬ milienbilder der Grenwitzer, oben im Saale, hängen lassen; es findet Sie Keiner als einen Fremden her¬ aus. Die haben auch Alle so verteufelt melancholische Gesichter. Mir däucht, man sieht es der Race an, daß Jeder von ihnen so oder so zum Teufel gehen mußte, wie sie es denn auch, so viel ich weiß, bis jetzt ohne Ausnahme gethan haben. Die Gesichter -- ich habe sie heute nach Tische der Reihe nach durch¬ gemustert -- können alle als Titelkupfer zu grauslichen Räuber- und Rittergeschichten gestochen werden. Diese Gesichter erzählen von tausend übertollen Streichen, von durchzechten Nächten, und vor allem von vielen, vielen schönen Weibern, die sich an ihnen den Tod küßten. Denn für die Weiber, wie ich sie kenne, müssen Kerle mit solchen Fratzen unwiderstehlich sein, vor allem, wenn die Kerle, wie in diesem Falle, reiche Barone sind. Besonders ist mir der Harald, dieser Rattenfänger von Hameln, aufgefallen. Er ist nicht so schön wie sein Vater Oscar, mit dem Sie nebenbei, wenn Sie so finster aussehen, wie eben, ohne Schmei¬ chelei eine merkwürdige Aehnlichkeit haben -- aber
ſein, und doch müßtet ihr einſehen, daß wir mittel¬ mäßigen Kinder der Natur uns zehntauſendmal wohler in unſerer Haut fühlen, als ihr. Wahrhaftig, Dot¬ tore, Sie können ſich porträtiren und unter die Fa¬ milienbilder der Grenwitzer, oben im Saale, hängen laſſen; es findet Sie Keiner als einen Fremden her¬ aus. Die haben auch Alle ſo verteufelt melancholiſche Geſichter. Mir däucht, man ſieht es der Race an, daß Jeder von ihnen ſo oder ſo zum Teufel gehen mußte, wie ſie es denn auch, ſo viel ich weiß, bis jetzt ohne Ausnahme gethan haben. Die Geſichter — ich habe ſie heute nach Tiſche der Reihe nach durch¬ gemuſtert — können alle als Titelkupfer zu grauslichen Räuber- und Rittergeſchichten geſtochen werden. Dieſe Geſichter erzählen von tauſend übertollen Streichen, von durchzechten Nächten, und vor allem von vielen, vielen ſchönen Weibern, die ſich an ihnen den Tod küßten. Denn für die Weiber, wie ich ſie kenne, müſſen Kerle mit ſolchen Fratzen unwiderſtehlich ſein, vor allem, wenn die Kerle, wie in dieſem Falle, reiche Barone ſind. Beſonders iſt mir der Harald, dieſer Rattenfänger von Hameln, aufgefallen. Er iſt nicht ſo ſchön wie ſein Vater Oscar, mit dem Sie nebenbei, wenn Sie ſo finſter ausſehen, wie eben, ohne Schmei¬ chelei eine merkwürdige Aehnlichkeit haben — aber
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ſein, und doch müßtet ihr einſehen, daß wir mittel¬
mäßigen Kinder der Natur uns zehntauſendmal wohler
in unſerer Haut fühlen, als ihr. Wahrhaftig, Dot¬
tore, Sie können ſich porträtiren und unter die Fa¬
milienbilder der Grenwitzer, oben im Saale, hängen
laſſen; es findet Sie Keiner als einen Fremden her¬
aus. Die haben auch Alle ſo verteufelt melancholiſche
Geſichter. Mir däucht, man ſieht es der Race an,
daß Jeder von ihnen ſo oder ſo zum Teufel gehen
mußte, wie ſie es denn auch, ſo viel ich weiß, bis
jetzt ohne Ausnahme gethan haben. Die Geſichter —
ich habe ſie heute nach Tiſche der Reihe nach durch¬
gemuſtert — können alle als Titelkupfer zu grauslichen
Räuber- und Rittergeſchichten geſtochen werden. Dieſe
Geſichter erzählen von tauſend übertollen Streichen,
von durchzechten Nächten, und vor allem von vielen,
vielen ſchönen Weibern, die ſich an ihnen den Tod
küßten. Denn für die Weiber, wie ich ſie kenne,
müſſen Kerle mit ſolchen Fratzen unwiderſtehlich ſein,
vor allem, wenn die Kerle, wie in dieſem Falle, reiche
Barone ſind. Beſonders iſt mir der Harald, dieſer
Rattenfänger von Hameln, aufgefallen. Er iſt nicht
ſo ſchön wie ſein Vater Oscar, mit dem Sie nebenbei,
wenn Sie ſo finſter ausſehen, wie eben, ohne Schmei¬
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/223>, abgerufen am 27.11.2024.
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