nur von ganzem Herzen wünschen? Von ganzem Herzen? Wer von uns hat denn noch ein ganzes Herz zum Leben und zum Sterben? Du nicht! Du nicht! - --
Vertrauen zu uns selbst ist wie eine Götterwolke, in die gehüllt wir die Gefahren des Lebenskampfes unverletzt durchwandeln, und, wenn wir fallen, als Helden fallen, mit der Todeswunde auf der stolzen Stirn, in der muthigen Brust, Zweifel an uns selbst ist wie ein jäher Schwindel, der uns auf steiler Fel¬ senhöhe packt, unser Blut gerinnen macht, die Kraft unsrer Sehnen löst, und uns zuletzt rettungslos in den Abgrund schleudert.
In solchen qualvollen Augenblicken schließt sich der Mensch, wie ein im Walde verirrtes Kind, an den ersten Besten, der ihm begegnet, an Jeden an, der singend die Straße des Lebens einherzieht und der Gefahren des Weges spottet.
Ein solcher muthiger Wanderer erschien dem ver¬ düsterten, entmuthigten Oswald sein neuer Bekannter, und so kam es, daß er sich in diesen bösen Tagen an den stets zu Scherz und Lachen und tollen Streichen aufgelegten Albert mit einer Herzlichkeit anschloß, die ihn, der sonst in der Wahl seiner Freunde so äußerst wählerisch war, selbst in Erstaunen setzte.
nur von ganzem Herzen wünſchen? Von ganzem Herzen? Wer von uns hat denn noch ein ganzes Herz zum Leben und zum Sterben? Du nicht! Du nicht! – —
Vertrauen zu uns ſelbſt iſt wie eine Götterwolke, in die gehüllt wir die Gefahren des Lebenskampfes unverletzt durchwandeln, und, wenn wir fallen, als Helden fallen, mit der Todeswunde auf der ſtolzen Stirn, in der muthigen Bruſt, Zweifel an uns ſelbſt iſt wie ein jäher Schwindel, der uns auf ſteiler Fel¬ ſenhöhe packt, unſer Blut gerinnen macht, die Kraft unſrer Sehnen löſt, und uns zuletzt rettungslos in den Abgrund ſchleudert.
In ſolchen qualvollen Augenblicken ſchließt ſich der Menſch, wie ein im Walde verirrtes Kind, an den erſten Beſten, der ihm begegnet, an Jeden an, der ſingend die Straße des Lebens einherzieht und der Gefahren des Weges ſpottet.
Ein ſolcher muthiger Wanderer erſchien dem ver¬ düſterten, entmuthigten Oswald ſein neuer Bekannter, und ſo kam es, daß er ſich in dieſen böſen Tagen an den ſtets zu Scherz und Lachen und tollen Streichen aufgelegten Albert mit einer Herzlichkeit anſchloß, die ihn, der ſonſt in der Wahl ſeiner Freunde ſo äußerſt wähleriſch war, ſelbſt in Erſtaunen ſetzte.
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[201/0211]
nur von ganzem Herzen wünſchen? Von ganzem
Herzen? Wer von uns hat denn noch ein ganzes
Herz zum Leben und zum Sterben? Du nicht! Du
nicht! – —
Vertrauen zu uns ſelbſt iſt wie eine Götterwolke,
in die gehüllt wir die Gefahren des Lebenskampfes
unverletzt durchwandeln, und, wenn wir fallen, als
Helden fallen, mit der Todeswunde auf der ſtolzen
Stirn, in der muthigen Bruſt, Zweifel an uns ſelbſt
iſt wie ein jäher Schwindel, der uns auf ſteiler Fel¬
ſenhöhe packt, unſer Blut gerinnen macht, die Kraft
unſrer Sehnen löſt, und uns zuletzt rettungslos in
den Abgrund ſchleudert.
In ſolchen qualvollen Augenblicken ſchließt ſich der
Menſch, wie ein im Walde verirrtes Kind, an den
erſten Beſten, der ihm begegnet, an Jeden an, der
ſingend die Straße des Lebens einherzieht und der
Gefahren des Weges ſpottet.
Ein ſolcher muthiger Wanderer erſchien dem ver¬
düſterten, entmuthigten Oswald ſein neuer Bekannter,
und ſo kam es, daß er ſich in dieſen böſen Tagen an
den ſtets zu Scherz und Lachen und tollen Streichen
aufgelegten Albert mit einer Herzlichkeit anſchloß, die
ihn, der ſonſt in der Wahl ſeiner Freunde ſo äußerſt
wähleriſch war, ſelbſt in Erſtaunen ſetzte.
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/211>, abgerufen am 18.07.2024.
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