und das hübsche braune Mädel darin, für die man gestern noch leben und sterben wollte, bis auf die Er¬ innerung vergessen hatte. -- Sind Sie fertig? Na, lassen Sie einmal sehen. Hm! Sie zeichnen, wie der Maler Conti in der Emilia Galotti, nicht, was die Natur geschaffen hat, sondern was sie hätte schaffen sollen, wenn sie in dem betreffenden Augenblicke nicht unglücklicherweise blind gewesen wäre. Sehr hübsch in der That, aber das Original ist mir doch lieber. Und Dichter sind Sie auch, wie ich sehe."
"Wie so?"
"Nun, die andere Seite des Blattes ist ja von oben bis unten mit Versen beschrieben. Und noch dazu Sonette, die ich über alles liebe. Ich darf sie doch lesen?"
"Es ist nicht des Lesens werth." sagte Oswald, den Alberts Frage sichtbar verlegen machte. -- Die Verse waren an Melitta, waren in der Erinnerung an die erste köstliche Zusammenkunft im Waldhäuschen geschrieben! Er. glaubte das Blatt sicher in seinem Pult verwahrt, und bereute bitter seine Unvorsichtig¬ keit, die es jetzt seinem übermüthigen und, wie er fürchten mußte, keineswegs sehr discreten Gast in die Hände gespielt hatte. Glücklicherweise war Melitta's Name nicht genannt.
und das hübſche braune Mädel darin, für die man geſtern noch leben und ſterben wollte, bis auf die Er¬ innerung vergeſſen hatte. — Sind Sie fertig? Na, laſſen Sie einmal ſehen. Hm! Sie zeichnen, wie der Maler Conti in der Emilia Galotti, nicht, was die Natur geſchaffen hat, ſondern was ſie hätte ſchaffen ſollen, wenn ſie in dem betreffenden Augenblicke nicht unglücklicherweiſe blind geweſen wäre. Sehr hübſch in der That, aber das Original iſt mir doch lieber. Und Dichter ſind Sie auch, wie ich ſehe.“
„Wie ſo?“
„Nun, die andere Seite des Blattes iſt ja von oben bis unten mit Verſen beſchrieben. Und noch dazu Sonette, die ich über alles liebe. Ich darf ſie doch leſen?“
„Es iſt nicht des Leſens werth.“ ſagte Oswald, den Alberts Frage ſichtbar verlegen machte. — Die Verſe waren an Melitta, waren in der Erinnerung an die erſte köſtliche Zuſammenkunft im Waldhäuschen geſchrieben! Er. glaubte das Blatt ſicher in ſeinem Pult verwahrt, und bereute bitter ſeine Unvorſichtig¬ keit, die es jetzt ſeinem übermüthigen und, wie er fürchten mußte, keineswegs ſehr discreten Gaſt in die Hände geſpielt hatte. Glücklicherweiſe war Melitta's Name nicht genannt.
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und das hübſche braune Mädel darin, für die man
geſtern noch leben und ſterben wollte, bis auf die Er¬
innerung vergeſſen hatte. — Sind Sie fertig? Na,
laſſen Sie einmal ſehen. Hm! Sie zeichnen, wie der
Maler Conti in der Emilia Galotti, nicht, was die
Natur geſchaffen hat, ſondern was ſie hätte ſchaffen
ſollen, wenn ſie in dem betreffenden Augenblicke nicht
unglücklicherweiſe blind geweſen wäre. Sehr hübſch
in der That, aber das Original iſt mir doch lieber.
Und Dichter ſind Sie auch, wie ich ſehe.“
„Wie ſo?“
„Nun, die andere Seite des Blattes iſt ja von
oben bis unten mit Verſen beſchrieben. Und noch
dazu Sonette, die ich über alles liebe. Ich darf ſie
doch leſen?“
„Es iſt nicht des Leſens werth.“ ſagte Oswald,
den Alberts Frage ſichtbar verlegen machte. — Die
Verſe waren an Melitta, waren in der Erinnerung
an die erſte köſtliche Zuſammenkunft im Waldhäuschen
geſchrieben! Er. glaubte das Blatt ſicher in ſeinem
Pult verwahrt, und bereute bitter ſeine Unvorſichtig¬
keit, die es jetzt ſeinem übermüthigen und, wie er
fürchten mußte, keineswegs ſehr discreten Gaſt in die
Hände geſpielt hatte. Glücklicherweiſe war Melitta's
Name nicht genannt.
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/198>, abgerufen am 18.07.2024.
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