vorzustehen schien, während eines, voraussichtlich mehre Wochen lang dauernden Aufenthalts in Grenwitz ge¬ währen mußten; und sich diese Gunst, die auch viel¬ leicht in anderer Weise die Monotonie des Landlebens in angemessener Weise mildern konnte, möglichst schnell zu erwerben, war Herr Albert Timm in dem aller¬ liebsten verschwiegenen tete-a-tete mit der kleinen Französin eifrigst bedacht gewesen. Die Unterhaltung war von beiden Seiten, ohne einem gelegentlichen französischen Worte das Dasein zu verkümmern, deutsch geführt worden, da Mademoiselle das Deutsche ziemlich und Herr Timm das Französische sehr schlecht sprach, und dem jungen harmlosen, aufrichtigen, wahrheits¬ liebenden Manne nichts verhaßter war, als der Ge¬ danke, nicht verstanden oder vielleicht gar mißverstanden zu werden.
"Und Sie sind schon lange hier?" fragte er.
"Drei Jahre."
"Der Tausend! und Sie sind vor langer Weile noch nicht gestorben. Sie müssen eine famose Natur haben."
"Plait-il?"
"Ich meine, das muß doch zum Verzweifeln lang¬ weilig sein, Jahr aus Jahr ein in diesem öden Nest zu hocken, und noch dazu in so ausnehmend inter¬
vorzuſtehen ſchien, während eines, vorausſichtlich mehre Wochen lang dauernden Aufenthalts in Grenwitz ge¬ währen mußten; und ſich dieſe Gunſt, die auch viel¬ leicht in anderer Weiſe die Monotonie des Landlebens in angemeſſener Weiſe mildern konnte, möglichſt ſchnell zu erwerben, war Herr Albert Timm in dem aller¬ liebſten verſchwiegenen tête-a-tête mit der kleinen Franzöſin eifrigſt bedacht geweſen. Die Unterhaltung war von beiden Seiten, ohne einem gelegentlichen franzöſiſchen Worte das Daſein zu verkümmern, deutſch geführt worden, da Mademoiſelle das Deutſche ziemlich und Herr Timm das Franzöſiſche ſehr ſchlecht ſprach, und dem jungen harmloſen, aufrichtigen, wahrheits¬ liebenden Manne nichts verhaßter war, als der Ge¬ danke, nicht verſtanden oder vielleicht gar mißverſtanden zu werden.
„Und Sie ſind ſchon lange hier?“ fragte er.
„Drei Jahre.“
„Der Tauſend! und Sie ſind vor langer Weile noch nicht geſtorben. Sie müſſen eine famoſe Natur haben.“
„Plait-il?“
„Ich meine, das muß doch zum Verzweifeln lang¬ weilig ſein, Jahr aus Jahr ein in dieſem öden Neſt zu hocken, und noch dazu in ſo ausnehmend inter¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0185"n="175"/>
vorzuſtehen ſchien, während eines, vorausſichtlich mehre<lb/>
Wochen lang dauernden Aufenthalts in Grenwitz ge¬<lb/>
währen mußten; und ſich dieſe Gunſt, die auch viel¬<lb/>
leicht in anderer Weiſe die Monotonie des Landlebens<lb/>
in angemeſſener Weiſe mildern konnte, möglichſt ſchnell<lb/>
zu erwerben, war Herr Albert Timm in dem aller¬<lb/>
liebſten verſchwiegenen <hirendition="#aq">tête-a-tête</hi> mit der kleinen<lb/>
Franzöſin eifrigſt bedacht geweſen. Die Unterhaltung<lb/>
war von beiden Seiten, ohne einem gelegentlichen<lb/>
franzöſiſchen Worte das Daſein zu verkümmern, deutſch<lb/>
geführt worden, da Mademoiſelle das Deutſche ziemlich<lb/>
und Herr Timm das Franzöſiſche ſehr ſchlecht ſprach,<lb/>
und dem jungen harmloſen, aufrichtigen, wahrheits¬<lb/>
liebenden Manne nichts verhaßter war, als der Ge¬<lb/>
danke, nicht verſtanden oder vielleicht gar mißverſtanden<lb/>
zu werden.</p><lb/><p>„Und Sie ſind ſchon lange hier?“ fragte er.</p><lb/><p>„Drei Jahre.“</p><lb/><p>„Der Tauſend! und Sie ſind vor langer Weile<lb/>
noch nicht geſtorben. Sie müſſen eine famoſe Natur<lb/>
haben.“</p><lb/><p><hirendition="#aq">„Plait-il?</hi>“</p><lb/><p>„Ich meine, das muß doch zum Verzweifeln lang¬<lb/>
weilig ſein, Jahr aus Jahr ein in dieſem öden Neſt<lb/>
zu hocken, und noch dazu in ſo ausnehmend inter¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[175/0185]
vorzuſtehen ſchien, während eines, vorausſichtlich mehre
Wochen lang dauernden Aufenthalts in Grenwitz ge¬
währen mußten; und ſich dieſe Gunſt, die auch viel¬
leicht in anderer Weiſe die Monotonie des Landlebens
in angemeſſener Weiſe mildern konnte, möglichſt ſchnell
zu erwerben, war Herr Albert Timm in dem aller¬
liebſten verſchwiegenen tête-a-tête mit der kleinen
Franzöſin eifrigſt bedacht geweſen. Die Unterhaltung
war von beiden Seiten, ohne einem gelegentlichen
franzöſiſchen Worte das Daſein zu verkümmern, deutſch
geführt worden, da Mademoiſelle das Deutſche ziemlich
und Herr Timm das Franzöſiſche ſehr ſchlecht ſprach,
und dem jungen harmloſen, aufrichtigen, wahrheits¬
liebenden Manne nichts verhaßter war, als der Ge¬
danke, nicht verſtanden oder vielleicht gar mißverſtanden
zu werden.
„Und Sie ſind ſchon lange hier?“ fragte er.
„Drei Jahre.“
„Der Tauſend! und Sie ſind vor langer Weile
noch nicht geſtorben. Sie müſſen eine famoſe Natur
haben.“
„Plait-il?“
„Ich meine, das muß doch zum Verzweifeln lang¬
weilig ſein, Jahr aus Jahr ein in dieſem öden Neſt
zu hocken, und noch dazu in ſo ausnehmend inter¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/185>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.