Schleier verhüllt, thronte, Isis, die heilige, keusche Göttin der Natur."
"Ich verstehe Dich nicht ganz, Oswald."
"Die Welt und das Leben sind voller Räthsel, Bruno. Das Leben ist die Sphinx und wir sind der Oedipus. Und es ist der Fluch des Oedipus, daß er das Räthsel lösen muß, und ihn des Räthsels Lösung doch unglücklich macht."
"Du bist mir nicht böse, Oswald?"
"Ich Dir böse, liebes Herz? weshalb?"
"Daß ich Dir mit solchen wunderlichen Fragen komme."
"Du sollst mich fragen, Bruno; nach Allem fragen, was Dich in Erstaunen und Verwirrung setzt. Deine Seele muß offen vor mir liegen, wie ein Buch, in dem ich blättern und wieder blättern kann. Wollte Gott, ich möchte nur Weises und Gutes auf die reinen Blätter schreiben!"
"Du bist stets so gut so unendlich gut gegen mich, Oswald; und ich vergelte Dir all' Deine Güte nur mit Undankbarkeit und Trotz."
"Das thust Du nicht -- und dann: sind wir nicht Brüder? Brüder müssen sich untereinander lie¬ ben und tragen und stützen, und dürfen nicht rechten um Mein und Dein. Sieh' Bruno, wenn der fromme
Schleier verhüllt, thronte, Iſis, die heilige, keuſche Göttin der Natur.“
„Ich verſtehe Dich nicht ganz, Oswald.“
„Die Welt und das Leben ſind voller Räthſel, Bruno. Das Leben iſt die Sphinx und wir ſind der Oedipus. Und es iſt der Fluch des Oedipus, daß er das Räthſel löſen muß, und ihn des Räthſels Löſung doch unglücklich macht.“
„Du biſt mir nicht böſe, Oswald?“
„Ich Dir böſe, liebes Herz? weshalb?“
„Daß ich Dir mit ſolchen wunderlichen Fragen komme.“
„Du ſollſt mich fragen, Bruno; nach Allem fragen, was Dich in Erſtaunen und Verwirrung ſetzt. Deine Seele muß offen vor mir liegen, wie ein Buch, in dem ich blättern und wieder blättern kann. Wollte Gott, ich möchte nur Weiſes und Gutes auf die reinen Blätter ſchreiben!“
„Du biſt ſtets ſo gut ſo unendlich gut gegen mich, Oswald; und ich vergelte Dir all' Deine Güte nur mit Undankbarkeit und Trotz.“
„Das thuſt Du nicht — und dann: ſind wir nicht Brüder? Brüder müſſen ſich untereinander lie¬ ben und tragen und ſtützen, und dürfen nicht rechten um Mein und Dein. Sieh' Bruno, wenn der fromme
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Schleier verhüllt, thronte, Iſis, die heilige, keuſche
Göttin der Natur.“
„Ich verſtehe Dich nicht ganz, Oswald.“
„Die Welt und das Leben ſind voller Räthſel,
Bruno. Das Leben iſt die Sphinx und wir ſind der
Oedipus. Und es iſt der Fluch des Oedipus, daß er
das Räthſel löſen muß, und ihn des Räthſels Löſung
doch unglücklich macht.“
„Du biſt mir nicht böſe, Oswald?“
„Ich Dir böſe, liebes Herz? weshalb?“
„Daß ich Dir mit ſolchen wunderlichen Fragen
komme.“
„Du ſollſt mich fragen, Bruno; nach Allem fragen,
was Dich in Erſtaunen und Verwirrung ſetzt. Deine
Seele muß offen vor mir liegen, wie ein Buch, in dem
ich blättern und wieder blättern kann. Wollte Gott,
ich möchte nur Weiſes und Gutes auf die reinen
Blätter ſchreiben!“
„Du biſt ſtets ſo gut ſo unendlich gut gegen mich,
Oswald; und ich vergelte Dir all' Deine Güte nur
mit Undankbarkeit und Trotz.“
„Das thuſt Du nicht — und dann: ſind wir
nicht Brüder? Brüder müſſen ſich untereinander lie¬
ben und tragen und ſtützen, und dürfen nicht rechten
um Mein und Dein. Sieh' Bruno, wenn der fromme
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/182>, abgerufen am 18.07.2024.
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