zu grüßen und zu fragen, ob Du die Kupferstiche noch nicht hättest, von denen ihr neulich gesprochen, und ob Du sie ihr nicht schicken wolltest -- und dann rief sie mich wieder zurück und sagte: ich solle Dich lieber doch nicht daran erinnern, Dir auch nicht sagen, daß ich sie gesprochen hätte -- aber, wie gesagt, ich glaube jetzt nicht mehr, daß es ihr Ernst gewesen ist."
"Warum jetzt nicht mehr, Bruno? "
"Weil --" der Knabe schwieg; plötzlich sagte er in gedämpftem Ton, als fürchtete er, die dunklen Ge¬ büsche neben ihnen könnten es hören.
"Sage mir, Oswald, wie ist das, wenn man Je¬ mand liebt? "
"Wie meinst Du das, Bruno?" antwortete Os¬ wald, den die Frage in nicht geringe Verlegenheit setzte.
"Ich meine: was ist das für eine Liebe, von der so oft in den Büchern die Rede ist? Ich habe Dich lieb, sehr lieb; aber es ist mir, als müßte es noch eine andre Liebe geben. So habe ich immer nicht verstanden, warum der Marquis Posa so bestürzt ist, als Don Carlos sagt: ich liebe meine Mutter. -- Weshalb soll er seine Muttrr nicht lieben? Ich habe meine Mutter nie gekannt, und so weiß ich gar nicht, wie man seine Mutter liebt, aber ich denke sie mir
zu grüßen und zu fragen, ob Du die Kupferſtiche noch nicht hätteſt, von denen ihr neulich geſprochen, und ob Du ſie ihr nicht ſchicken wollteſt — und dann rief ſie mich wieder zurück und ſagte: ich ſolle Dich lieber doch nicht daran erinnern, Dir auch nicht ſagen, daß ich ſie geſprochen hätte — aber, wie geſagt, ich glaube jetzt nicht mehr, daß es ihr Ernſt geweſen iſt.“
„Warum jetzt nicht mehr, Bruno? “
„Weil —“ der Knabe ſchwieg; plötzlich ſagte er in gedämpftem Ton, als fürchtete er, die dunklen Ge¬ büſche neben ihnen könnten es hören.
„Sage mir, Oswald, wie iſt das, wenn man Je¬ mand liebt? “
„Wie meinſt Du das, Bruno?” antwortete Os¬ wald, den die Frage in nicht geringe Verlegenheit ſetzte.
„Ich meine: was iſt das für eine Liebe, von der ſo oft in den Büchern die Rede iſt? Ich habe Dich lieb, ſehr lieb; aber es iſt mir, als müßte es noch eine andre Liebe geben. So habe ich immer nicht verſtanden, warum der Marquis Poſa ſo beſtürzt iſt, als Don Carlos ſagt: ich liebe meine Mutter. — Weshalb ſoll er ſeine Muttrr nicht lieben? Ich habe meine Mutter nie gekannt, und ſo weiß ich gar nicht, wie man ſeine Mutter liebt, aber ich denke ſie mir
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zu grüßen und zu fragen, ob Du die Kupferſtiche
noch nicht hätteſt, von denen ihr neulich geſprochen,
und ob Du ſie ihr nicht ſchicken wollteſt — und dann
rief ſie mich wieder zurück und ſagte: ich ſolle Dich
lieber doch nicht daran erinnern, Dir auch nicht ſagen,
daß ich ſie geſprochen hätte — aber, wie geſagt, ich
glaube jetzt nicht mehr, daß es ihr Ernſt geweſen iſt.“
„Warum jetzt nicht mehr, Bruno? “
„Weil —“ der Knabe ſchwieg; plötzlich ſagte er
in gedämpftem Ton, als fürchtete er, die dunklen Ge¬
büſche neben ihnen könnten es hören.
„Sage mir, Oswald, wie iſt das, wenn man Je¬
mand liebt? “
„Wie meinſt Du das, Bruno?” antwortete Os¬
wald, den die Frage in nicht geringe Verlegenheit
ſetzte.
„Ich meine: was iſt das für eine Liebe, von der
ſo oft in den Büchern die Rede iſt? Ich habe Dich
lieb, ſehr lieb; aber es iſt mir, als müßte es noch
eine andre Liebe geben. So habe ich immer nicht
verſtanden, warum der Marquis Poſa ſo beſtürzt iſt,
als Don Carlos ſagt: ich liebe meine Mutter. —
Weshalb ſoll er ſeine Muttrr nicht lieben? Ich habe
meine Mutter nie gekannt, und ſo weiß ich gar nicht,
wie man ſeine Mutter liebt, aber ich denke ſie mir
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/180>, abgerufen am 18.07.2024.
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