"Was war es?" fragte Oswald mit angenom¬ mener Gleichgültigkeit.
"Das war es;" sagte Bruno. "Ich war am Sonnabend Nachmittag, als Du Briefe schriebst, allein in den Wald gegangen, nach Berkow zu, weil das mein liebster Weg ist. Da kommt mir auf einmal Tante entgegen, zu Pferde, ganz allein, nicht einmal der Boncoeur war bei ihr. Sie ritt den Brownlock, den sie immer reitet, wenn sie schnell reiten will, und schnell mußte sie geritten sein, denn Brownlock's Brust und Hals und selbst Tantes Kleid waren voll weißer Schaumflecken. Sieh' da, Bruno! sagte sie, mir vom Pferde herab die Hand reichend, wo willst Du hin? -- Nirgends hin, Tante, wie gewöhnlich, sagte ich, aber wo wollen Sie hin? -- Auch nirgends! ant¬ wortete sie lachend, da können wir ja zusammen unsern Weg fortsetzen. -- Wenn Sie Schritt reiten wollen, sagte ich, sonst nicht. -- Und da sind wir wohl eine halbe Stunde zusammen durch den Wald gezogen, und haben die ganze Zeit von nichts als von Dir ge¬ sprochen, und Tante fragte mich, ob ich Dich lieb hätte, worauf ich natürlich mit Nein antwortete; ob Du wohl aussähest, ob Du recht munter wärest? ob Du viel studirtest? und noch hunderterlei, was ich wieder vergessen habe. Zuletzt trug sie mir auf, Dich
„Was war es?“ fragte Oswald mit angenom¬ mener Gleichgültigkeit.
„Das war es;“ ſagte Bruno. „Ich war am Sonnabend Nachmittag, als Du Briefe ſchriebſt, allein in den Wald gegangen, nach Berkow zu, weil das mein liebſter Weg iſt. Da kommt mir auf einmal Tante entgegen, zu Pferde, ganz allein, nicht einmal der Boncoeur war bei ihr. Sie ritt den Brownlock, den ſie immer reitet, wenn ſie ſchnell reiten will, und ſchnell mußte ſie geritten ſein, denn Brownlock's Bruſt und Hals und ſelbſt Tantes Kleid waren voll weißer Schaumflecken. Sieh' da, Bruno! ſagte ſie, mir vom Pferde herab die Hand reichend, wo willſt Du hin? — Nirgends hin, Tante, wie gewöhnlich, ſagte ich, aber wo wollen Sie hin? — Auch nirgends! ant¬ wortete ſie lachend, da können wir ja zuſammen unſern Weg fortſetzen. — Wenn Sie Schritt reiten wollen, ſagte ich, ſonſt nicht. — Und da ſind wir wohl eine halbe Stunde zuſammen durch den Wald gezogen, und haben die ganze Zeit von nichts als von Dir ge¬ ſprochen, und Tante fragte mich, ob ich Dich lieb hätte, worauf ich natürlich mit Nein antwortete; ob Du wohl ausſäheſt, ob Du recht munter wäreſt? ob Du viel ſtudirteſt? und noch hunderterlei, was ich wieder vergeſſen habe. Zuletzt trug ſie mir auf, Dich
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„Was war es?“ fragte Oswald mit angenom¬
mener Gleichgültigkeit.
„Das war es;“ ſagte Bruno. „Ich war am
Sonnabend Nachmittag, als Du Briefe ſchriebſt, allein
in den Wald gegangen, nach Berkow zu, weil das
mein liebſter Weg iſt. Da kommt mir auf einmal
Tante entgegen, zu Pferde, ganz allein, nicht einmal
der Boncoeur war bei ihr. Sie ritt den Brownlock,
den ſie immer reitet, wenn ſie ſchnell reiten will, und
ſchnell mußte ſie geritten ſein, denn Brownlock's Bruſt
und Hals und ſelbſt Tantes Kleid waren voll weißer
Schaumflecken. Sieh' da, Bruno! ſagte ſie, mir vom
Pferde herab die Hand reichend, wo willſt Du hin?
— Nirgends hin, Tante, wie gewöhnlich, ſagte ich,
aber wo wollen Sie hin? — Auch nirgends! ant¬
wortete ſie lachend, da können wir ja zuſammen unſern
Weg fortſetzen. — Wenn Sie Schritt reiten wollen,
ſagte ich, ſonſt nicht. — Und da ſind wir wohl eine
halbe Stunde zuſammen durch den Wald gezogen,
und haben die ganze Zeit von nichts als von Dir ge¬
ſprochen, und Tante fragte mich, ob ich Dich lieb
hätte, worauf ich natürlich mit Nein antwortete; ob
Du wohl ausſäheſt, ob Du recht munter wäreſt? ob
Du viel ſtudirteſt? und noch hunderterlei, was ich
wieder vergeſſen habe. Zuletzt trug ſie mir auf, Dich
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/179>, abgerufen am 24.11.2024.
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