Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

solche Lippen geküßt, und Oswald sah so junge, strah¬
lende Augen voller Seligkeit zu ihm aufgeschlagen,
und Oswald vernahm so leise, liebedurchglühte Worte.
Was Wunder, daß er in diesen wenigen Momenten,
die ihm mit dem süßen Kinde noch beisammen zu sein
vergönnt waren, Liebe für Liebe gab, daß er dem letzten
Augenblicke, der sie trennen würde, mit kaum ge¬
ringerer Angst entgegensah, wie das Mädchen selbst,
welches bei der Ankündigung, der Wagen sei vor¬
gefahren, fast in Thränen ausbrach. Emilie hatte den
Augenblick, wo Oswald sie nach dem Tanze zu ihrer
Tante zurückführte, wahrgenommen, ihn dieser Dame,
die bei ihr Mutterstelle vertrat, vorzustellen. Ein
paar gewandte, witzige Worte hatten ihn schnell bei
der Matrone, die mit dem besten Herzen von der Welt
gern auf Kosten Anderer lachte, in Gunst gesetzt.
Auch sie lud Oswald ein, doch ja recht bald einmal nach
Candelin (dem Gute von Emilien's Vater, der Vater
litt für den Augenblick an der Gicht und hatte des¬
halb zu Hause bleiben müssen --) herüber zu kommen.

"Ja, und dann wollen wir etwas nach der Scheibe
schießen," sagte Adolf von Breesen, der herantrat,
um den Damen anzukündigen, daß der Wagen da sei.
"Ich lade noch ein paar Herren dazu, damit Sie sich
nicht allzusehr bei uns langweilen."

ſolche Lippen geküßt, und Oswald ſah ſo junge, ſtrah¬
lende Augen voller Seligkeit zu ihm aufgeſchlagen,
und Oswald vernahm ſo leiſe, liebedurchglühte Worte.
Was Wunder, daß er in dieſen wenigen Momenten,
die ihm mit dem ſüßen Kinde noch beiſammen zu ſein
vergönnt waren, Liebe für Liebe gab, daß er dem letzten
Augenblicke, der ſie trennen würde, mit kaum ge¬
ringerer Angſt entgegenſah, wie das Mädchen ſelbſt,
welches bei der Ankündigung, der Wagen ſei vor¬
gefahren, faſt in Thränen ausbrach. Emilie hatte den
Augenblick, wo Oswald ſie nach dem Tanze zu ihrer
Tante zurückführte, wahrgenommen, ihn dieſer Dame,
die bei ihr Mutterſtelle vertrat, vorzuſtellen. Ein
paar gewandte, witzige Worte hatten ihn ſchnell bei
der Matrone, die mit dem beſten Herzen von der Welt
gern auf Koſten Anderer lachte, in Gunſt geſetzt.
Auch ſie lud Oswald ein, doch ja recht bald einmal nach
Candelin (dem Gute von Emilien's Vater, der Vater
litt für den Augenblick an der Gicht und hatte des¬
halb zu Hauſe bleiben müſſen —) herüber zu kommen.

„Ja, und dann wollen wir etwas nach der Scheibe
ſchießen,“ ſagte Adolf von Breeſen, der herantrat,
um den Damen anzukündigen, daß der Wagen da ſei.
„Ich lade noch ein paar Herren dazu, damit Sie ſich
nicht allzuſehr bei uns langweilen.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0114" n="104"/>
&#x017F;olche Lippen geküßt, und Oswald &#x017F;ah &#x017F;o junge, &#x017F;trah¬<lb/>
lende Augen voller Seligkeit zu ihm aufge&#x017F;chlagen,<lb/>
und Oswald vernahm &#x017F;o lei&#x017F;e, liebedurchglühte Worte.<lb/>
Was Wunder, daß er in die&#x017F;en wenigen Momenten,<lb/>
die ihm mit dem &#x017F;üßen Kinde noch bei&#x017F;ammen zu &#x017F;ein<lb/>
vergönnt waren, Liebe für Liebe gab, daß er dem letzten<lb/>
Augenblicke, der &#x017F;ie trennen würde, mit kaum ge¬<lb/>
ringerer Ang&#x017F;t entgegen&#x017F;ah, wie das Mädchen &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
welches bei der Ankündigung, der Wagen &#x017F;ei vor¬<lb/>
gefahren, fa&#x017F;t in Thränen ausbrach. Emilie hatte den<lb/>
Augenblick, wo Oswald &#x017F;ie nach dem Tanze zu ihrer<lb/>
Tante zurückführte, wahrgenommen, ihn die&#x017F;er Dame,<lb/>
die bei ihr Mutter&#x017F;telle vertrat, vorzu&#x017F;tellen. Ein<lb/>
paar gewandte, witzige Worte hatten ihn &#x017F;chnell bei<lb/>
der Matrone, die mit dem be&#x017F;ten Herzen von der Welt<lb/>
gern auf Ko&#x017F;ten Anderer lachte, in Gun&#x017F;t ge&#x017F;etzt.<lb/>
Auch &#x017F;ie lud Oswald ein, doch ja recht bald einmal nach<lb/>
Candelin (dem Gute von Emilien's Vater, der Vater<lb/>
litt für den Augenblick an der Gicht und hatte des¬<lb/>
halb zu Hau&#x017F;e bleiben mü&#x017F;&#x017F;en &#x2014;) herüber zu kommen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, und dann wollen wir etwas nach der Scheibe<lb/>
&#x017F;chießen,&#x201C; &#x017F;agte Adolf von Bree&#x017F;en, der herantrat,<lb/>
um den Damen anzukündigen, daß der Wagen da &#x017F;ei.<lb/>
&#x201E;Ich lade noch ein paar Herren dazu, damit Sie &#x017F;ich<lb/>
nicht allzu&#x017F;ehr bei uns langweilen.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0114] ſolche Lippen geküßt, und Oswald ſah ſo junge, ſtrah¬ lende Augen voller Seligkeit zu ihm aufgeſchlagen, und Oswald vernahm ſo leiſe, liebedurchglühte Worte. Was Wunder, daß er in dieſen wenigen Momenten, die ihm mit dem ſüßen Kinde noch beiſammen zu ſein vergönnt waren, Liebe für Liebe gab, daß er dem letzten Augenblicke, der ſie trennen würde, mit kaum ge¬ ringerer Angſt entgegenſah, wie das Mädchen ſelbſt, welches bei der Ankündigung, der Wagen ſei vor¬ gefahren, faſt in Thränen ausbrach. Emilie hatte den Augenblick, wo Oswald ſie nach dem Tanze zu ihrer Tante zurückführte, wahrgenommen, ihn dieſer Dame, die bei ihr Mutterſtelle vertrat, vorzuſtellen. Ein paar gewandte, witzige Worte hatten ihn ſchnell bei der Matrone, die mit dem beſten Herzen von der Welt gern auf Koſten Anderer lachte, in Gunſt geſetzt. Auch ſie lud Oswald ein, doch ja recht bald einmal nach Candelin (dem Gute von Emilien's Vater, der Vater litt für den Augenblick an der Gicht und hatte des¬ halb zu Hauſe bleiben müſſen —) herüber zu kommen. „Ja, und dann wollen wir etwas nach der Scheibe ſchießen,“ ſagte Adolf von Breeſen, der herantrat, um den Damen anzukündigen, daß der Wagen da ſei. „Ich lade noch ein paar Herren dazu, damit Sie ſich nicht allzuſehr bei uns langweilen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/114
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/114>, abgerufen am 22.11.2024.