"Aufhören, nach Hause fahren -- dummes Zeug -- lasse keinen Menschen vom Hofe -- Heda! Champagner hierher. -- Nach Hause? Warum? meine Frau wird alle Augenblicke ohnmächtig, mit und ohne Grund -- da könnte ich gar keine Gesellschaft geben. Musik an¬ fangen!"
Aber trotz dieser gastfreundlichen Worte, deren Wirkung durch das allzusichtlich aufgeregte Wesen des Sprechenden wesentlich beeinträchtigt wurde, und trotz der ersten Töne der Instrumente, die mit einem wahr¬ haft schauerlichen Accord einsetzten, waren nur sehr Wenige bereit, den unterbrochenen Ball wieder aufzu¬ nehmen. Alle Uebrigen fanden plötzlich, daß es schon sehr spät sei, daß man zu lange bei Tisch gesessen habe, daß es unverantwortlich wäre, ein Fest fortzu¬ setzen, an welchem die Wirthin selbst nicht mehr theil¬ nehmen könnte -- und was dergleichen Phrasen denn mehr sind, durch die eine Gesellschaft, die einmal aufbrechen will, ihren Rückzug zu motiviren sucht. Schon hörte man einen Wagen nach dem andern vorfahren. Mütter suchten ihre Töchter, diese ihre Shawls und Fächer -- überall ein Aufbrechen, Abschied¬ nehmen, hier ein übermüthiger Scherz, dort eine bös¬ willige Bemerkung, hier ein verstohlenes Liebeswort. -- Oswald sah nicht viel Anderes, als die Gestalt
„Aufhören, nach Hauſe fahren — dummes Zeug — laſſe keinen Menſchen vom Hofe — Heda! Champagner hierher. — Nach Hauſe? Warum? meine Frau wird alle Augenblicke ohnmächtig, mit und ohne Grund — da könnte ich gar keine Geſellſchaft geben. Muſik an¬ fangen!“
Aber trotz dieſer gaſtfreundlichen Worte, deren Wirkung durch das allzuſichtlich aufgeregte Weſen des Sprechenden weſentlich beeinträchtigt wurde, und trotz der erſten Töne der Inſtrumente, die mit einem wahr¬ haft ſchauerlichen Accord einſetzten, waren nur ſehr Wenige bereit, den unterbrochenen Ball wieder aufzu¬ nehmen. Alle Uebrigen fanden plötzlich, daß es ſchon ſehr ſpät ſei, daß man zu lange bei Tiſch geſeſſen habe, daß es unverantwortlich wäre, ein Feſt fortzu¬ ſetzen, an welchem die Wirthin ſelbſt nicht mehr theil¬ nehmen könnte — und was dergleichen Phraſen denn mehr ſind, durch die eine Geſellſchaft, die einmal aufbrechen will, ihren Rückzug zu motiviren ſucht. Schon hörte man einen Wagen nach dem andern vorfahren. Mütter ſuchten ihre Töchter, dieſe ihre Shawls und Fächer — überall ein Aufbrechen, Abſchied¬ nehmen, hier ein übermüthiger Scherz, dort eine bös¬ willige Bemerkung, hier ein verſtohlenes Liebeswort. — Oswald ſah nicht viel Anderes, als die Geſtalt
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„Aufhören, nach Hauſe fahren — dummes Zeug —
laſſe keinen Menſchen vom Hofe — Heda! Champagner
hierher. — Nach Hauſe? Warum? meine Frau wird
alle Augenblicke ohnmächtig, mit und ohne Grund —
da könnte ich gar keine Geſellſchaft geben. Muſik an¬
fangen!“
Aber trotz dieſer gaſtfreundlichen Worte, deren
Wirkung durch das allzuſichtlich aufgeregte Weſen des
Sprechenden weſentlich beeinträchtigt wurde, und trotz
der erſten Töne der Inſtrumente, die mit einem wahr¬
haft ſchauerlichen Accord einſetzten, waren nur ſehr
Wenige bereit, den unterbrochenen Ball wieder aufzu¬
nehmen. Alle Uebrigen fanden plötzlich, daß es ſchon
ſehr ſpät ſei, daß man zu lange bei Tiſch geſeſſen
habe, daß es unverantwortlich wäre, ein Feſt fortzu¬
ſetzen, an welchem die Wirthin ſelbſt nicht mehr theil¬
nehmen könnte — und was dergleichen Phraſen denn
mehr ſind, durch die eine Geſellſchaft, die einmal
aufbrechen will, ihren Rückzug zu motiviren ſucht.
Schon hörte man einen Wagen nach dem andern
vorfahren. Mütter ſuchten ihre Töchter, dieſe ihre
Shawls und Fächer — überall ein Aufbrechen, Abſchied¬
nehmen, hier ein übermüthiger Scherz, dort eine bös¬
willige Bemerkung, hier ein verſtohlenes Liebeswort.
— Oswald ſah nicht viel Anderes, als die Geſtalt
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/112>, abgerufen am 18.07.2024.
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