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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

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Gleichen. Ihr glaubt, ein ehrlicher Kerl, könne kein
ernsthaftes Wort vorbringen, ohne eine Leichenbitter¬
miene dabei zu machen. Der Humor ist Euch ein
unbekannter Luxus. Nun wohl, mein ernsthafter
Freund, was hast Du?"

"Höre, Oldenburg --".

"Still! wir sind doch hier unbelauscht? Mir war,
als hörte ich eine Ratte hinter den Tapeten?"

"Es war nichts."

"Eh bien, so verkünde mir in möglichst verständ¬
lichen Worten Deine Trauermähr."

Die Stimmen der Redenden wurden leiser, aber
nicht so sehr, daß Oswald nicht jedes Wort deutlich
hörte. Er verwünschte seine Situation, die ihm die
Rolle des Lauschers aufzwang; aber er sah keine Mög¬
lichkeit zu entrinnen. Da Oldenburg Fräulein von
Breesen erkannt hatte, würde er die Ehre dieser
jungen Dame preisgegeben haben, wäre er jetzt aus
seinem Versteck hervorgekommen. Er versuchte, ob er
nicht geräuschlos das Fenster öffnen könne, um mit
einem kühnen Sprunge über die Stachelbeerhecke fort,
die sich unter demselben hinzog, in den Garten, und
von dort durch die offene Thür des Ballsaales in
diesen zurückzugelangen, aber er stand von diesem
Vorhaben, als zu gewagt ab, und ergab sich, nicht

Gleichen. Ihr glaubt, ein ehrlicher Kerl, könne kein
ernſthaftes Wort vorbringen, ohne eine Leichenbitter¬
miene dabei zu machen. Der Humor iſt Euch ein
unbekannter Luxus. Nun wohl, mein ernſthafter
Freund, was haſt Du?“

„Höre, Oldenburg —“.

„Still! wir ſind doch hier unbelauſcht? Mir war,
als hörte ich eine Ratte hinter den Tapeten?“

„Es war nichts.“

Eh bien, ſo verkünde mir in möglichſt verſtänd¬
lichen Worten Deine Trauermähr.“

Die Stimmen der Redenden wurden leiſer, aber
nicht ſo ſehr, daß Oswald nicht jedes Wort deutlich
hörte. Er verwünſchte ſeine Situation, die ihm die
Rolle des Lauſchers aufzwang; aber er ſah keine Mög¬
lichkeit zu entrinnen. Da Oldenburg Fräulein von
Breeſen erkannt hatte, würde er die Ehre dieſer
jungen Dame preisgegeben haben, wäre er jetzt aus
ſeinem Verſteck hervorgekommen. Er verſuchte, ob er
nicht geräuſchlos das Fenſter öffnen könne, um mit
einem kühnen Sprunge über die Stachelbeerhecke fort,
die ſich unter demſelben hinzog, in den Garten, und
von dort durch die offene Thür des Ballſaales in
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[90/0100] Gleichen. Ihr glaubt, ein ehrlicher Kerl, könne kein ernſthaftes Wort vorbringen, ohne eine Leichenbitter¬ miene dabei zu machen. Der Humor iſt Euch ein unbekannter Luxus. Nun wohl, mein ernſthafter Freund, was haſt Du?“ „Höre, Oldenburg —“. „Still! wir ſind doch hier unbelauſcht? Mir war, als hörte ich eine Ratte hinter den Tapeten?“ „Es war nichts.“ „Eh bien, ſo verkünde mir in möglichſt verſtänd¬ lichen Worten Deine Trauermähr.“ Die Stimmen der Redenden wurden leiſer, aber nicht ſo ſehr, daß Oswald nicht jedes Wort deutlich hörte. Er verwünſchte ſeine Situation, die ihm die Rolle des Lauſchers aufzwang; aber er ſah keine Mög¬ lichkeit zu entrinnen. Da Oldenburg Fräulein von Breeſen erkannt hatte, würde er die Ehre dieſer jungen Dame preisgegeben haben, wäre er jetzt aus ſeinem Verſteck hervorgekommen. Er verſuchte, ob er nicht geräuſchlos das Fenſter öffnen könne, um mit einem kühnen Sprunge über die Stachelbeerhecke fort, die ſich unter demſelben hinzog, in den Garten, und von dort durch die offene Thür des Ballſaales in dieſen zurückzugelangen, aber er ſtand von dieſem Vorhaben, als zu gewagt ab, und ergab ſich, nicht

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/100>, abgerufen am 23.11.2024.