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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.

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und er mahnte deshalb dringend, das Spiel einzustellen.
Melitta fand, daß es hohe Zeit für sie sei, aufzubrechen,
und bat, ihrem Reitknecht Befehl zu geben, die Pferde
zu satteln. Bruno war fortgesprungen, den Auftrag
auszurichten; die Baronin mit Mademoiselle in das
Zimmer getreten; der Baron beschäftigt, Malte, der
sich durchaus erkältet haben sollte, ein dickes Shawl¬
tuch um den Hals zu wickeln; Oswald und Melitta
waren zum ersten Male seit ihrer unterbrochenen Con¬
versation von vorhin allein geblieben. Melitta hatte
von einem Rosenstrauch, der zu den Füßen der Flora
wuchs, eine Rose gepflückt und betrachtete sinnend die
köstliche Blume.

"Verzeihen Sie, mein Herr," sagte sie plötzlich,
leise und rasch, aber ohne die Augen aufzuschlagen,
"daß ich vorhin die Unschicklichkeit beging, Sie ohne
weiteres um einen Besuch zu bitten, der Ihnen am
Ende beschwerlich fällt, aber" --

"Kein Aber, gnädige Frau; ich wiederhole im Ernst,
was ich vorhin aus bloßer Höflichkeit sagte, daß ich
mich glücklich schätzen würde, Ihnen irgendwie dienen
zu können."

"Sie kommen also morgen?"

"Wie Sie befehlen."

"Nein: wie ich wünsche. -- Sehen Sie nur, wie

F. Spielhagen, Problematische Naturen. I. 6

und er mahnte deshalb dringend, das Spiel einzuſtellen.
Melitta fand, daß es hohe Zeit für ſie ſei, aufzubrechen,
und bat, ihrem Reitknecht Befehl zu geben, die Pferde
zu ſatteln. Bruno war fortgeſprungen, den Auftrag
auszurichten; die Baronin mit Mademoiſelle in das
Zimmer getreten; der Baron beſchäftigt, Malte, der
ſich durchaus erkältet haben ſollte, ein dickes Shawl¬
tuch um den Hals zu wickeln; Oswald und Melitta
waren zum erſten Male ſeit ihrer unterbrochenen Con¬
verſation von vorhin allein geblieben. Melitta hatte
von einem Roſenſtrauch, der zu den Füßen der Flora
wuchs, eine Roſe gepflückt und betrachtete ſinnend die
köſtliche Blume.

„Verzeihen Sie, mein Herr,“ ſagte ſie plötzlich,
leiſe und raſch, aber ohne die Augen aufzuſchlagen,
„daß ich vorhin die Unſchicklichkeit beging, Sie ohne
weiteres um einen Beſuch zu bitten, der Ihnen am
Ende beſchwerlich fällt, aber“ —

„Kein Aber, gnädige Frau; ich wiederhole im Ernſt,
was ich vorhin aus bloßer Höflichkeit ſagte, daß ich
mich glücklich ſchätzen würde, Ihnen irgendwie dienen
zu können.“

„Sie kommen alſo morgen?“

„Wie Sie befehlen.“

„Nein: wie ich wünſche. — Sehen Sie nur, wie

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[81/0091] und er mahnte deshalb dringend, das Spiel einzuſtellen. Melitta fand, daß es hohe Zeit für ſie ſei, aufzubrechen, und bat, ihrem Reitknecht Befehl zu geben, die Pferde zu ſatteln. Bruno war fortgeſprungen, den Auftrag auszurichten; die Baronin mit Mademoiſelle in das Zimmer getreten; der Baron beſchäftigt, Malte, der ſich durchaus erkältet haben ſollte, ein dickes Shawl¬ tuch um den Hals zu wickeln; Oswald und Melitta waren zum erſten Male ſeit ihrer unterbrochenen Con¬ verſation von vorhin allein geblieben. Melitta hatte von einem Roſenſtrauch, der zu den Füßen der Flora wuchs, eine Roſe gepflückt und betrachtete ſinnend die köſtliche Blume. „Verzeihen Sie, mein Herr,“ ſagte ſie plötzlich, leiſe und raſch, aber ohne die Augen aufzuſchlagen, „daß ich vorhin die Unſchicklichkeit beging, Sie ohne weiteres um einen Beſuch zu bitten, der Ihnen am Ende beſchwerlich fällt, aber“ — „Kein Aber, gnädige Frau; ich wiederhole im Ernſt, was ich vorhin aus bloßer Höflichkeit ſagte, daß ich mich glücklich ſchätzen würde, Ihnen irgendwie dienen zu können.“ „Sie kommen alſo morgen?“ „Wie Sie befehlen.“ „Nein: wie ich wünſche. — Sehen Sie nur, wie F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. I. 6

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/91>, abgerufen am 27.11.2024.