Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

lichen Aufenthalts sicher schon empfunden hat, recht
willkommen sein. Ich selbst wollte Sie für morgen
schon zu einem Besuche zu bestimmen suchen, Herr
Stein; bei unserm Pastor, der schon empfindlich sein
wird, daß Sie sich ihm noch nicht vorgestellt haben."

"Nun, das läßt sich ja ganz gut vereinigen," sagte
Melitta; "morgen ist Sonntag, der Pastor Jäger
wird entzückt sein, wenn Sie die nicht allzu große
Schaar seiner Zuhörer durch Ihre Person vermehren.
Berkow ist von Faschwitz durch den Wald nur ein
halbes Stündchen entfernt. Ich würde Sie gleich zu
Mittag einladen, aber ich weiß, daß die Frau Pastorin
Sie nicht sobald wieder fortlassen wird. Nun, was
sagen Sie, Herr Doctor?"

"Ich kann den Damen nur meinen tiefgefühlten
Dank aussprechen, daß Sie die Güte haben wollen,
über meine Zeit besser zu disponiren, als ich es auf
jeden Fall im Stande wäre," antwortete Oswald mit
einer höflichen Verbeugung.

"Das heißt: der Weise schickt sich in das Unver¬
meidliche," sagte Melitta lachend. "Und hier kommt
der Baron mit Malte, und wir können zu Tische
gehen, wonach ich, offen gestanden, großes Verlangen
trage."

Die Tafel war auf dem niedrigen Perron, der nach

lichen Aufenthalts ſicher ſchon empfunden hat, recht
willkommen ſein. Ich ſelbſt wollte Sie für morgen
ſchon zu einem Beſuche zu beſtimmen ſuchen, Herr
Stein; bei unſerm Paſtor, der ſchon empfindlich ſein
wird, daß Sie ſich ihm noch nicht vorgeſtellt haben.“

„Nun, das läßt ſich ja ganz gut vereinigen,“ ſagte
Melitta; „morgen iſt Sonntag, der Paſtor Jäger
wird entzückt ſein, wenn Sie die nicht allzu große
Schaar ſeiner Zuhörer durch Ihre Perſon vermehren.
Berkow iſt von Faſchwitz durch den Wald nur ein
halbes Stündchen entfernt. Ich würde Sie gleich zu
Mittag einladen, aber ich weiß, daß die Frau Paſtorin
Sie nicht ſobald wieder fortlaſſen wird. Nun, was
ſagen Sie, Herr Doctor?“

„Ich kann den Damen nur meinen tiefgefühlten
Dank ausſprechen, daß Sie die Güte haben wollen,
über meine Zeit beſſer zu disponiren, als ich es auf
jeden Fall im Stande wäre,“ antwortete Oswald mit
einer höflichen Verbeugung.

„Das heißt: der Weiſe ſchickt ſich in das Unver¬
meidliche,“ ſagte Melitta lachend. „Und hier kommt
der Baron mit Malte, und wir können zu Tiſche
gehen, wonach ich, offen geſtanden, großes Verlangen
trage.“

Die Tafel war auf dem niedrigen Perron, der nach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0087" n="77"/>
lichen Aufenthalts &#x017F;icher &#x017F;chon empfunden hat, recht<lb/>
willkommen &#x017F;ein. Ich &#x017F;elb&#x017F;t wollte Sie für morgen<lb/>
&#x017F;chon zu einem Be&#x017F;uche zu be&#x017F;timmen &#x017F;uchen, Herr<lb/>
Stein; bei un&#x017F;erm Pa&#x017F;tor, der &#x017F;chon empfindlich &#x017F;ein<lb/>
wird, daß Sie &#x017F;ich ihm noch nicht vorge&#x017F;tellt haben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun, das läßt &#x017F;ich ja ganz gut vereinigen,&#x201C; &#x017F;agte<lb/>
Melitta; &#x201E;morgen i&#x017F;t Sonntag, der Pa&#x017F;tor Jäger<lb/>
wird entzückt &#x017F;ein, wenn Sie die nicht allzu große<lb/>
Schaar &#x017F;einer Zuhörer durch Ihre Per&#x017F;on vermehren.<lb/>
Berkow i&#x017F;t von Fa&#x017F;chwitz durch den Wald nur ein<lb/>
halbes Stündchen entfernt. Ich würde Sie gleich zu<lb/>
Mittag einladen, aber ich weiß, daß die Frau Pa&#x017F;torin<lb/>
Sie nicht &#x017F;obald wieder fortla&#x017F;&#x017F;en wird. Nun, was<lb/>
&#x017F;agen Sie, Herr Doctor?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich kann den Damen nur meinen tiefgefühlten<lb/>
Dank aus&#x017F;prechen, daß Sie die Güte haben wollen,<lb/>
über meine Zeit be&#x017F;&#x017F;er zu disponiren, als ich es auf<lb/>
jeden Fall im Stande wäre,&#x201C; antwortete Oswald mit<lb/>
einer höflichen Verbeugung.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das heißt: der Wei&#x017F;e &#x017F;chickt &#x017F;ich in das Unver¬<lb/>
meidliche,&#x201C; &#x017F;agte Melitta lachend. &#x201E;Und hier kommt<lb/>
der Baron mit Malte, und wir können zu Ti&#x017F;che<lb/>
gehen, wonach ich, offen ge&#x017F;tanden, großes Verlangen<lb/>
trage.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Tafel war auf dem niedrigen Perron, der nach<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0087] lichen Aufenthalts ſicher ſchon empfunden hat, recht willkommen ſein. Ich ſelbſt wollte Sie für morgen ſchon zu einem Beſuche zu beſtimmen ſuchen, Herr Stein; bei unſerm Paſtor, der ſchon empfindlich ſein wird, daß Sie ſich ihm noch nicht vorgeſtellt haben.“ „Nun, das läßt ſich ja ganz gut vereinigen,“ ſagte Melitta; „morgen iſt Sonntag, der Paſtor Jäger wird entzückt ſein, wenn Sie die nicht allzu große Schaar ſeiner Zuhörer durch Ihre Perſon vermehren. Berkow iſt von Faſchwitz durch den Wald nur ein halbes Stündchen entfernt. Ich würde Sie gleich zu Mittag einladen, aber ich weiß, daß die Frau Paſtorin Sie nicht ſobald wieder fortlaſſen wird. Nun, was ſagen Sie, Herr Doctor?“ „Ich kann den Damen nur meinen tiefgefühlten Dank ausſprechen, daß Sie die Güte haben wollen, über meine Zeit beſſer zu disponiren, als ich es auf jeden Fall im Stande wäre,“ antwortete Oswald mit einer höflichen Verbeugung. „Das heißt: der Weiſe ſchickt ſich in das Unver¬ meidliche,“ ſagte Melitta lachend. „Und hier kommt der Baron mit Malte, und wir können zu Tiſche gehen, wonach ich, offen geſtanden, großes Verlangen trage.“ Die Tafel war auf dem niedrigen Perron, der nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/87
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/87>, abgerufen am 22.07.2024.