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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.

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Heirath denken, im Falle Grenwitz das Project nicht
aufgeben sollte."

"Nun denn, aufrichtig: ich würde sie für ein Un¬
glück, für ein um so größeres Unglück halten, je schöner
und unschuldiger Helene ist. Was, um Alles in der
Welt, kann den Baron zu dieser Heirath bestimmen?
Denn daß eine Mutter zu solch einer Verbindung, die
ihre Tochter namenlos unglücklich machen müßte, Ja
sagen sollte, kann ich mir nimmermehr denken."

Melitta war aufgesprungen, hatte ihre Reitpeitsche
ergriffen und hieb damit sausend durch die Luft, als
wollte sie sagen: das verdient der, welcher zu diesem
Bubenstück die Hand bietet. In der schlanken, hoch
aufgerichteten Frauengestalt hätte man kaum dieselbe
wieder erkannt, die sich vorhin schüchtern über ihre
Arbeit beugte, oder sich lässig in die Kissen des Stuhles
schmiegte. Selbst die Züge des Gesichtes schienen anders
zu werden, schärfer, älter; das Feuer in den großen
Augen loderte düster auf. Offenbar hatte die Er¬
wähnung dieser Heirath eine Saite in ihr angeschlagen,
die häßlich durch ihre Seele schrillte. Sie fuhr in
demselben aufgeregten Tone fort:

"Felix ist ein notorischer Wüstling. Wie kann ein
Wüstling Liebe fühlen? Und gesetzt, Helenens Schön¬
heit, Unschuld und Jugend trügen für eine Zeit über

Heirath denken, im Falle Grenwitz das Project nicht
aufgeben ſollte.“

„Nun denn, aufrichtig: ich würde ſie für ein Un¬
glück, für ein um ſo größeres Unglück halten, je ſchöner
und unſchuldiger Helene iſt. Was, um Alles in der
Welt, kann den Baron zu dieſer Heirath beſtimmen?
Denn daß eine Mutter zu ſolch einer Verbindung, die
ihre Tochter namenlos unglücklich machen müßte, Ja
ſagen ſollte, kann ich mir nimmermehr denken.“

Melitta war aufgeſprungen, hatte ihre Reitpeitſche
ergriffen und hieb damit ſauſend durch die Luft, als
wollte ſie ſagen: das verdient der, welcher zu dieſem
Bubenſtück die Hand bietet. In der ſchlanken, hoch
aufgerichteten Frauengeſtalt hätte man kaum dieſelbe
wieder erkannt, die ſich vorhin ſchüchtern über ihre
Arbeit beugte, oder ſich läſſig in die Kiſſen des Stuhles
ſchmiegte. Selbſt die Züge des Geſichtes ſchienen anders
zu werden, ſchärfer, älter; das Feuer in den großen
Augen loderte düſter auf. Offenbar hatte die Er¬
wähnung dieſer Heirath eine Saite in ihr angeſchlagen,
die häßlich durch ihre Seele ſchrillte. Sie fuhr in
demſelben aufgeregten Tone fort:

„Felix iſt ein notoriſcher Wüſtling. Wie kann ein
Wüſtling Liebe fühlen? Und geſetzt, Helenens Schön¬
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[68/0078] Heirath denken, im Falle Grenwitz das Project nicht aufgeben ſollte.“ „Nun denn, aufrichtig: ich würde ſie für ein Un¬ glück, für ein um ſo größeres Unglück halten, je ſchöner und unſchuldiger Helene iſt. Was, um Alles in der Welt, kann den Baron zu dieſer Heirath beſtimmen? Denn daß eine Mutter zu ſolch einer Verbindung, die ihre Tochter namenlos unglücklich machen müßte, Ja ſagen ſollte, kann ich mir nimmermehr denken.“ Melitta war aufgeſprungen, hatte ihre Reitpeitſche ergriffen und hieb damit ſauſend durch die Luft, als wollte ſie ſagen: das verdient der, welcher zu dieſem Bubenſtück die Hand bietet. In der ſchlanken, hoch aufgerichteten Frauengeſtalt hätte man kaum dieſelbe wieder erkannt, die ſich vorhin ſchüchtern über ihre Arbeit beugte, oder ſich läſſig in die Kiſſen des Stuhles ſchmiegte. Selbſt die Züge des Geſichtes ſchienen anders zu werden, ſchärfer, älter; das Feuer in den großen Augen loderte düſter auf. Offenbar hatte die Er¬ wähnung dieſer Heirath eine Saite in ihr angeſchlagen, die häßlich durch ihre Seele ſchrillte. Sie fuhr in demſelben aufgeregten Tone fort: „Felix iſt ein notoriſcher Wüſtling. Wie kann ein Wüſtling Liebe fühlen? Und geſetzt, Helenens Schön¬ heit, Unſchuld und Jugend trügen für eine Zeit über

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/78>, abgerufen am 26.11.2024.