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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.

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Namenszuges in einer schon gesäumten Serviette be¬
schäftigt. Dies nimmt sich nun freilich bei ihrem An¬
zuge wunderlich genug aus, auch scheint diese Arbeit der
Amazone nicht eben zuzusagen, wenigstens hebt sie, als
jetzt die Baronin aufsteht, um im Hintergrunde des
Zimmers etwas zu suchen, schnell den Kopf in die
Höhe und zeigt ein hübsches Gesicht mit kindlich-weichen
Zügen und großen braunen, in feuchtem Schimmer
glänzenden Augen, und dies Gesicht hat jetzt genau
den Ausdruck eines übermüthigen Schulmädchens, dessen
strenge Lehrerin auf einen Augenblick den Rücken wendet.

"Was sagten Sie, liebe Anna-Maria," fragte die
Amazone, indem sie sich, als die Baronin sich um¬
wandte, wieder über ihre Arbeit beugte.

"Ich fragte Sie, liebe Melitta, ob Sie noch genug
rothes Garn hätten?"

Melitta machte eine Miene, als ob sie sagen wollte,
mehr wie zu viel; sie begnügte sich indeß zu sagen:
"ich denke, es wird reichen."

Die Baronin hatte sich auf ihren Platz gesetzt und
nahm die für einen Augenblick unterbrochene Conver¬
sation wieder auf.

"So scheint doch wenig Hoffnung auf eine voll¬
kommene Genesung?" sagte sie.

"Wenig oder keine," antwortete Melitta; "besonders

Namenszuges in einer ſchon geſäumten Serviette be¬
ſchäftigt. Dies nimmt ſich nun freilich bei ihrem An¬
zuge wunderlich genug aus, auch ſcheint dieſe Arbeit der
Amazone nicht eben zuzuſagen, wenigſtens hebt ſie, als
jetzt die Baronin aufſteht, um im Hintergrunde des
Zimmers etwas zu ſuchen, ſchnell den Kopf in die
Höhe und zeigt ein hübſches Geſicht mit kindlich-weichen
Zügen und großen braunen, in feuchtem Schimmer
glänzenden Augen, und dies Geſicht hat jetzt genau
den Ausdruck eines übermüthigen Schulmädchens, deſſen
ſtrenge Lehrerin auf einen Augenblick den Rücken wendet.

„Was ſagten Sie, liebe Anna-Maria,“ fragte die
Amazone, indem ſie ſich, als die Baronin ſich um¬
wandte, wieder über ihre Arbeit beugte.

„Ich fragte Sie, liebe Melitta, ob Sie noch genug
rothes Garn hätten?“

Melitta machte eine Miene, als ob ſie ſagen wollte,
mehr wie zu viel; ſie begnügte ſich indeß zu ſagen:
„ich denke, es wird reichen.“

Die Baronin hatte ſich auf ihren Platz geſetzt und
nahm die für einen Augenblick unterbrochene Conver¬
ſation wieder auf.

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[61/0071] Namenszuges in einer ſchon geſäumten Serviette be¬ ſchäftigt. Dies nimmt ſich nun freilich bei ihrem An¬ zuge wunderlich genug aus, auch ſcheint dieſe Arbeit der Amazone nicht eben zuzuſagen, wenigſtens hebt ſie, als jetzt die Baronin aufſteht, um im Hintergrunde des Zimmers etwas zu ſuchen, ſchnell den Kopf in die Höhe und zeigt ein hübſches Geſicht mit kindlich-weichen Zügen und großen braunen, in feuchtem Schimmer glänzenden Augen, und dies Geſicht hat jetzt genau den Ausdruck eines übermüthigen Schulmädchens, deſſen ſtrenge Lehrerin auf einen Augenblick den Rücken wendet. „Was ſagten Sie, liebe Anna-Maria,“ fragte die Amazone, indem ſie ſich, als die Baronin ſich um¬ wandte, wieder über ihre Arbeit beugte. „Ich fragte Sie, liebe Melitta, ob Sie noch genug rothes Garn hätten?“ Melitta machte eine Miene, als ob ſie ſagen wollte, mehr wie zu viel; ſie begnügte ſich indeß zu ſagen: „ich denke, es wird reichen.“ Die Baronin hatte ſich auf ihren Platz geſetzt und nahm die für einen Augenblick unterbrochene Conver¬ ſation wieder auf. „So ſcheint doch wenig Hoffnung auf eine voll¬ kommene Geneſung?“ ſagte ſie. „Wenig oder keine,“ antwortete Melitta; „beſonders

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/71>, abgerufen am 26.11.2024.