Meinung waren. Das Gut war, wie die übrigen Besitzungen der Familie, verpachtet; der Pächter, ein Herr Bader, wohnte auf einem der Nebengüter, das er ebenfalls in Pacht hatte, und kam selten nach Grenwitz, dessen Bewirthschaftung er seinem Inspector überließ.
Oswald, für den die Landwirthschaft eben so neu war, wie das Leben auf dem Lande, lenkte seine Schritte bald häufig nach dem Hofe, um sich von dem Inspec¬ tor durch die Ställe und Scheunen führen und sich von demselben etwas in die Mysterien des Ackerbaus und der Viehzucht einweihen zu lassen. Der Inspector, Namens Wrempe, war ein riesiger Mann, der stets in gewaltigen Stulpenstiefeln einherging und dem Aber¬ glauben zu huldigen schien, er werde seine ungeheure Körperkraft verlieren, wenn er seinen struppigen schwarzen Bart schöre, oder dem Regenwasser das ausschließliche Privilegium, sein sonnverbranntes Gesicht zu waschen, entzöge. Das breite Platt jener Gegend war seine Mutter- und Vatersprache, das Hochdeutsche haßte er und hielt Alle, die es sprachen, in seinem Herzen für Schelme; seine Stimme glich, aus der Ferne gehört, wesentlich dem Gebrüll eines etwas heiseren Löwen. Seine Feinde sagten ihm nach, daß er eine üble Ge¬ wohnheit habe, sich von Zeit zu Zeit zu betrinken; da
Meinung waren. Das Gut war, wie die übrigen Beſitzungen der Familie, verpachtet; der Pächter, ein Herr Bader, wohnte auf einem der Nebengüter, das er ebenfalls in Pacht hatte, und kam ſelten nach Grenwitz, deſſen Bewirthſchaftung er ſeinem Inſpector überließ.
Oswald, für den die Landwirthſchaft eben ſo neu war, wie das Leben auf dem Lande, lenkte ſeine Schritte bald häufig nach dem Hofe, um ſich von dem Inſpec¬ tor durch die Ställe und Scheunen führen und ſich von demſelben etwas in die Myſterien des Ackerbaus und der Viehzucht einweihen zu laſſen. Der Inſpector, Namens Wrempe, war ein rieſiger Mann, der ſtets in gewaltigen Stulpenſtiefeln einherging und dem Aber¬ glauben zu huldigen ſchien, er werde ſeine ungeheure Körperkraft verlieren, wenn er ſeinen ſtruppigen ſchwarzen Bart ſchöre, oder dem Regenwaſſer das ausſchließliche Privilegium, ſein ſonnverbranntes Geſicht zu waſchen, entzöge. Das breite Platt jener Gegend war ſeine Mutter- und Vaterſprache, das Hochdeutſche haßte er und hielt Alle, die es ſprachen, in ſeinem Herzen für Schelme; ſeine Stimme glich, aus der Ferne gehört, weſentlich dem Gebrüll eines etwas heiſeren Löwen. Seine Feinde ſagten ihm nach, daß er eine üble Ge¬ wohnheit habe, ſich von Zeit zu Zeit zu betrinken; da
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Meinung waren. Das Gut war, wie die übrigen
Beſitzungen der Familie, verpachtet; der Pächter, ein
Herr Bader, wohnte auf einem der Nebengüter, das
er ebenfalls in Pacht hatte, und kam ſelten nach
Grenwitz, deſſen Bewirthſchaftung er ſeinem Inſpector
überließ.
Oswald, für den die Landwirthſchaft eben ſo neu
war, wie das Leben auf dem Lande, lenkte ſeine Schritte
bald häufig nach dem Hofe, um ſich von dem Inſpec¬
tor durch die Ställe und Scheunen führen und ſich
von demſelben etwas in die Myſterien des Ackerbaus
und der Viehzucht einweihen zu laſſen. Der Inſpector,
Namens Wrempe, war ein rieſiger Mann, der ſtets
in gewaltigen Stulpenſtiefeln einherging und dem Aber¬
glauben zu huldigen ſchien, er werde ſeine ungeheure
Körperkraft verlieren, wenn er ſeinen ſtruppigen ſchwarzen
Bart ſchöre, oder dem Regenwaſſer das ausſchließliche
Privilegium, ſein ſonnverbranntes Geſicht zu waſchen,
entzöge. Das breite Platt jener Gegend war ſeine
Mutter- und Vaterſprache, das Hochdeutſche haßte er
und hielt Alle, die es ſprachen, in ſeinem Herzen für
Schelme; ſeine Stimme glich, aus der Ferne gehört,
weſentlich dem Gebrüll eines etwas heiſeren Löwen.
Seine Feinde ſagten ihm nach, daß er eine üble Ge¬
wohnheit habe, ſich von Zeit zu Zeit zu betrinken; da
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/57>, abgerufen am 24.11.2024.
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