zu müssen glaubten, nicht etwas zu eng gesteckt haben?" sagte der Doctor, die Asche seiner Cigarre an der Lehne des Wagens abklopfend.
"Wie das?" fragte Oswald nicht ohne einige Ver¬ wunderung.
"Sie verzeihen meine Indiscretion," sagte der An¬ dere, sich noch etwas mehr zu Oswald herüber wen¬ dend, und ihn mit seinen hellen, klugen Augen voll ansehend. "Sie wissen, daß wir Aerzte, wir mögen wollen oder nicht, zu der leidigen Rolle des Vertrau¬ ten in allen Familien, wo wir ein- und ausgehen ver¬ dammt werden. Auf einem oder dem andern Punkte hängt schließlich alles mit der physischen Natur, die wir zu controliren haben, zusammen, und so kommt denn nach und nach auch alles vor unser Forum, selbst solche Dinge, die vor jedes andere eher zu gehören scheinen, als vor das ärztliche. Und wenn die Sache schließlich in gar keinem Zuammenhange mit der Diä¬ tetik des Leibes und der Seele steht, so denken die Leute: hast du ihm so viel gesagt, kannst du ihm das auch noch sagen. So konnte denn auch heute die Ba¬ ronin die Bemerkung nicht unterdrücken, daß Sie (ich bin hier weder darauf aus, Ihnen Schmeichelhaftes noch Unangenehmes zu sagen, sondern einen Wink zu geben, den Sie beachten oder unbeachtet lassen mögen,
zu müſſen glaubten, nicht etwas zu eng geſteckt haben?“ ſagte der Doctor, die Aſche ſeiner Cigarre an der Lehne des Wagens abklopfend.
„Wie das?“ fragte Oswald nicht ohne einige Ver¬ wunderung.
„Sie verzeihen meine Indiscretion,“ ſagte der An¬ dere, ſich noch etwas mehr zu Oswald herüber wen¬ dend, und ihn mit ſeinen hellen, klugen Augen voll anſehend. „Sie wiſſen, daß wir Aerzte, wir mögen wollen oder nicht, zu der leidigen Rolle des Vertrau¬ ten in allen Familien, wo wir ein- und ausgehen ver¬ dammt werden. Auf einem oder dem andern Punkte hängt ſchließlich alles mit der phyſiſchen Natur, die wir zu controliren haben, zuſammen, und ſo kommt denn nach und nach auch alles vor unſer Forum, ſelbſt ſolche Dinge, die vor jedes andere eher zu gehören ſcheinen, als vor das ärztliche. Und wenn die Sache ſchließlich in gar keinem Zuammenhange mit der Diä¬ tetik des Leibes und der Seele ſteht, ſo denken die Leute: haſt du ihm ſo viel geſagt, kannſt du ihm das auch noch ſagen. So konnte denn auch heute die Ba¬ ronin die Bemerkung nicht unterdrücken, daß Sie (ich bin hier weder darauf aus, Ihnen Schmeichelhaftes noch Unangenehmes zu ſagen, ſondern einen Wink zu geben, den Sie beachten oder unbeachtet laſſen mögen,
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zu müſſen glaubten, nicht etwas zu eng geſteckt haben?“
ſagte der Doctor, die Aſche ſeiner Cigarre an der
Lehne des Wagens abklopfend.
„Wie das?“ fragte Oswald nicht ohne einige Ver¬
wunderung.
„Sie verzeihen meine Indiscretion,“ ſagte der An¬
dere, ſich noch etwas mehr zu Oswald herüber wen¬
dend, und ihn mit ſeinen hellen, klugen Augen voll
anſehend. „Sie wiſſen, daß wir Aerzte, wir mögen
wollen oder nicht, zu der leidigen Rolle des Vertrau¬
ten in allen Familien, wo wir ein- und ausgehen ver¬
dammt werden. Auf einem oder dem andern Punkte
hängt ſchließlich alles mit der phyſiſchen Natur, die
wir zu controliren haben, zuſammen, und ſo kommt
denn nach und nach auch alles vor unſer Forum, ſelbſt
ſolche Dinge, die vor jedes andere eher zu gehören
ſcheinen, als vor das ärztliche. Und wenn die Sache
ſchließlich in gar keinem Zuammenhange mit der Diä¬
tetik des Leibes und der Seele ſteht, ſo denken die
Leute: haſt du ihm ſo viel geſagt, kannſt du ihm das
auch noch ſagen. So konnte denn auch heute die Ba¬
ronin die Bemerkung nicht unterdrücken, daß Sie (ich
bin hier weder darauf aus, Ihnen Schmeichelhaftes
noch Unangenehmes zu ſagen, ſondern einen Wink zu
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/302>, abgerufen am 27.11.2024.
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