"Wie, Sie kennen Professor Berger nicht?" ant¬ wortet mir die Kleine verwundert.
"Das war Professor Berger?"
"Nun freilich, soll ich Sie ihm vorstellen?"
"Um Himmelswillen nicht," rief ich mit wahrhaftem Entsetzen; "o, ich Kind des Unglücks!"
"Was ist Ihnen?" fragte die hübsche Blondine, "was haben Sie?"
Ich aber hatte schon ihren Arm aus dem meinen gleiten lassen und suchte das entfernteste Zimmer. Dort warf ich mich in einer einsamen Ecke auf einen niedrigen Divan, um über das Unglück, das ich angerichtet hatte, melancholische Betrachtungen anzustellen. Ich hatte mich also, während ich mit einem gutmüthigen Pudel zu spielen glaubte, mit einem grimmigen Bären gebalgt! Dieser Mann war mir als eben so tückisch geschildert, wie er gelehrt und witzig war. Würde er sich meiner Sarkasmen und Ausfälle nicht in jener schlimmen Stunde erinnern, wo ich hülflos auf dem Secirtisch des Examinationssaales vor ihm lag. Es war ein verzweifelter Fall.
Da hebe ich vor einem Geräusch neben mir den Kopf, den ich nachdenklich in die Hand gestützt hatte, in die Höhe -- vor mir steht der Professor Berger. Ich erhebe mich von meinem Sitze.
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„Wie, Sie kennen Profeſſor Berger nicht?“ ant¬ wortet mir die Kleine verwundert.
„Das war Profeſſor Berger?“
„Nun freilich, ſoll ich Sie ihm vorſtellen?“
„Um Himmelswillen nicht,“ rief ich mit wahrhaftem Entſetzen; „o, ich Kind des Unglücks!“
„Was iſt Ihnen?“ fragte die hübſche Blondine, „was haben Sie?“
Ich aber hatte ſchon ihren Arm aus dem meinen gleiten laſſen und ſuchte das entfernteſte Zimmer. Dort warf ich mich in einer einſamen Ecke auf einen niedrigen Divan, um über das Unglück, das ich angerichtet hatte, melancholiſche Betrachtungen anzuſtellen. Ich hatte mich alſo, während ich mit einem gutmüthigen Pudel zu ſpielen glaubte, mit einem grimmigen Bären gebalgt! Dieſer Mann war mir als eben ſo tückiſch geſchildert, wie er gelehrt und witzig war. Würde er ſich meiner Sarkasmen und Ausfälle nicht in jener ſchlimmen Stunde erinnern, wo ich hülflos auf dem Secirtiſch des Examinationsſaales vor ihm lag. Es war ein verzweifelter Fall.
Da hebe ich vor einem Geräuſch neben mir den Kopf, den ich nachdenklich in die Hand geſtützt hatte, in die Höhe — vor mir ſteht der Profeſſor Berger. Ich erhebe mich von meinem Sitze.
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„Wie, Sie kennen Profeſſor Berger nicht?“ ant¬
wortet mir die Kleine verwundert.
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„Nun freilich, ſoll ich Sie ihm vorſtellen?“
„Um Himmelswillen nicht,“ rief ich mit wahrhaftem
Entſetzen; „o, ich Kind des Unglücks!“
„Was iſt Ihnen?“ fragte die hübſche Blondine,
„was haben Sie?“
Ich aber hatte ſchon ihren Arm aus dem meinen
gleiten laſſen und ſuchte das entfernteſte Zimmer. Dort
warf ich mich in einer einſamen Ecke auf einen niedrigen
Divan, um über das Unglück, das ich angerichtet hatte,
melancholiſche Betrachtungen anzuſtellen. Ich hatte
mich alſo, während ich mit einem gutmüthigen Pudel
zu ſpielen glaubte, mit einem grimmigen Bären gebalgt!
Dieſer Mann war mir als eben ſo tückiſch geſchildert,
wie er gelehrt und witzig war. Würde er ſich meiner
Sarkasmen und Ausfälle nicht in jener ſchlimmen
Stunde erinnern, wo ich hülflos auf dem Secirtiſch
des Examinationsſaales vor ihm lag. Es war ein
verzweifelter Fall.
Da hebe ich vor einem Geräuſch neben mir den
Kopf, den ich nachdenklich in die Hand geſtützt hatte,
in die Höhe — vor mir ſteht der Profeſſor Berger.
Ich erhebe mich von meinem Sitze.
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/29>, abgerufen am 16.02.2025.
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