ihm durch Süd-Italien gereist. In Sicilien haben sie sich getrennt. Die Herrschaften traten die Rückkehr an, und der Baron ging weiter nach Aegypten, Nubien, und Gott weiß wohin ihn sein unruhiger Geist noch sonst getrieben haben mag. Aber wir sind schon wieder von unserm Thema abgekommen."
Herr Bemperlein fing mit der ihm eigenthümlichen Redseligkeit abermals zu erzählen an, aber wenn Os¬ wald schon vorher nur mit halbem Ohre zugehört hatte, so schweiften seine Gedanken jetzt noch viel weiter ab .... Das war also der Mann, der einst in Me¬ litta's Leben eine so große Rolle gespielt hatte! Eine so große Rolle! Eine wie große Rolle? Sie hatte ihn nie wahrhaft geliebt -- vielleicht, -- gewiß nie wahr¬ haft geliebt -- aber ist denn wahre Liebe immer der letzte Preis der höchsten Gunst einer Frau? Giebt es nicht so dergleichen, wie Begierde ohne Liebe? oder auch Liebe ohne Begierde, oder der Wunsch, den Ge¬ liebten auf jede Weise an sich zu fesseln, auch durch die Lust und die Erinnerung der Lust -- -- Und so hätte Sie doch an der Seite des Mannes, an dessen Wiege die Grazien ausgeblieben waren, geruht; wohl ohne Ruhe, ohne die tiefe Seligkeit zu finden, die sie hoffte, -- aber doch geruht? O, in dem Gedanken war Höllenqual . . .
ihm durch Süd-Italien gereiſt. In Sicilien haben ſie ſich getrennt. Die Herrſchaften traten die Rückkehr an, und der Baron ging weiter nach Aegypten, Nubien, und Gott weiß wohin ihn ſein unruhiger Geiſt noch ſonſt getrieben haben mag. Aber wir ſind ſchon wieder von unſerm Thema abgekommen.“
Herr Bemperlein fing mit der ihm eigenthümlichen Redſeligkeit abermals zu erzählen an, aber wenn Os¬ wald ſchon vorher nur mit halbem Ohre zugehört hatte, ſo ſchweiften ſeine Gedanken jetzt noch viel weiter ab .... Das war alſo der Mann, der einſt in Me¬ litta's Leben eine ſo große Rolle geſpielt hatte! Eine ſo große Rolle! Eine wie große Rolle? Sie hatte ihn nie wahrhaft geliebt — vielleicht, — gewiß nie wahr¬ haft geliebt — aber iſt denn wahre Liebe immer der letzte Preis der höchſten Gunſt einer Frau? Giebt es nicht ſo dergleichen, wie Begierde ohne Liebe? oder auch Liebe ohne Begierde, oder der Wunſch, den Ge¬ liebten auf jede Weiſe an ſich zu feſſeln, auch durch die Luſt und die Erinnerung der Luſt — — Und ſo hätte Sie doch an der Seite des Mannes, an deſſen Wiege die Grazien ausgeblieben waren, geruht; wohl ohne Ruhe, ohne die tiefe Seligkeit zu finden, die ſie hoffte, — aber doch geruht? O, in dem Gedanken war Höllenqual . . .
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ihm durch Süd-Italien gereiſt. In Sicilien haben ſie
ſich getrennt. Die Herrſchaften traten die Rückkehr
an, und der Baron ging weiter nach Aegypten, Nubien,
und Gott weiß wohin ihn ſein unruhiger Geiſt noch
ſonſt getrieben haben mag. Aber wir ſind ſchon wieder
von unſerm Thema abgekommen.“
Herr Bemperlein fing mit der ihm eigenthümlichen
Redſeligkeit abermals zu erzählen an, aber wenn Os¬
wald ſchon vorher nur mit halbem Ohre zugehört
hatte, ſo ſchweiften ſeine Gedanken jetzt noch viel weiter
ab .... Das war alſo der Mann, der einſt in Me¬
litta's Leben eine ſo große Rolle geſpielt hatte! Eine
ſo große Rolle! Eine wie große Rolle? Sie hatte ihn
nie wahrhaft geliebt — vielleicht, — gewiß nie wahr¬
haft geliebt — aber iſt denn wahre Liebe immer der
letzte Preis der höchſten Gunſt einer Frau? Giebt es
nicht ſo dergleichen, wie Begierde ohne Liebe? oder
auch Liebe ohne Begierde, oder der Wunſch, den Ge¬
liebten auf jede Weiſe an ſich zu feſſeln, auch durch die
Luſt und die Erinnerung der Luſt — — Und ſo hätte
Sie doch an der Seite des Mannes, an deſſen Wiege
die Grazien ausgeblieben waren, geruht; wohl ohne
Ruhe, ohne die tiefe Seligkeit zu finden, die ſie hoffte,
— aber doch geruht? O, in dem Gedanken war
Höllenqual . . .
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/262>, abgerufen am 24.11.2024.
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