Den ganzen sogenannten Comment hielt ich nämlich von jeher für den abominabelsten Unsinn, verderblich für die Gesundheit, viel verderblicher aber noch für die Moral, denn er zwingt die jungen Gemüther ihr eigenes Denken und Fühlen heroisch dem Moloch eines barbarischen Ehrbegriffs, der lächerlichsten Carricatur eines Codex der Moral, die je erfunden ist, zu opfern, und gewöhnt sie auf diese Weise systematisch an jenes blinde, katholische Gehorchen, welches mir die eigent¬ liche Sünde gegen den heiligen Geist zu sein scheint. Ich weiß nicht, ob wir hierin einer Ansicht sind, Herr College."
"Vollkommen," antwortete Oswald.
"Und nun rechnen Sie zu den Uebelständen dieses modern-mittelalterlichen Studentenlebens, daß die Jüng¬ linge gerade in der Zeit, wo der Mensch am empfäng¬ lichsten ist für die Eindrücke der Außenwelt, sich her¬ metisch in ihrer leidigen Kneipe abschließen, anstatt die gute Gesellschaft aufzusuchen, die ihnen den Schliff geben könnte, der ihnen wahrlich so sehr fehlt, daß sie in den Jahren, wo selbst später sehr bornirte Aristo¬ kraten für Freiheit schwärmen, sich der exclusivesten Exclusivität befleißigen, und in dem Glanz ihrer bunten Kappen und kindischen Troddeln noch verächtlicher auf den Philister herabsehen, als der Gardelieutenant auf
Den ganzen ſogenannten Comment hielt ich nämlich von jeher für den abominabelſten Unſinn, verderblich für die Geſundheit, viel verderblicher aber noch für die Moral, denn er zwingt die jungen Gemüther ihr eigenes Denken und Fühlen heroiſch dem Moloch eines barbariſchen Ehrbegriffs, der lächerlichſten Carricatur eines Codex der Moral, die je erfunden iſt, zu opfern, und gewöhnt ſie auf dieſe Weiſe ſyſtematiſch an jenes blinde, katholiſche Gehorchen, welches mir die eigent¬ liche Sünde gegen den heiligen Geiſt zu ſein ſcheint. Ich weiß nicht, ob wir hierin einer Anſicht ſind, Herr College.“
„Vollkommen,“ antwortete Oswald.
„Und nun rechnen Sie zu den Uebelſtänden dieſes modern-mittelalterlichen Studentenlebens, daß die Jüng¬ linge gerade in der Zeit, wo der Menſch am empfäng¬ lichſten iſt für die Eindrücke der Außenwelt, ſich her¬ metiſch in ihrer leidigen Kneipe abſchließen, anſtatt die gute Geſellſchaft aufzuſuchen, die ihnen den Schliff geben könnte, der ihnen wahrlich ſo ſehr fehlt, daß ſie in den Jahren, wo ſelbſt ſpäter ſehr bornirte Ariſto¬ kraten für Freiheit ſchwärmen, ſich der excluſiveſten Excluſivität befleißigen, und in dem Glanz ihrer bunten Kappen und kindiſchen Troddeln noch verächtlicher auf den Philiſter herabſehen, als der Gardelieutenant auf
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Den ganzen ſogenannten Comment hielt ich nämlich
von jeher für den abominabelſten Unſinn, verderblich
für die Geſundheit, viel verderblicher aber noch für
die Moral, denn er zwingt die jungen Gemüther ihr
eigenes Denken und Fühlen heroiſch dem Moloch eines
barbariſchen Ehrbegriffs, der lächerlichſten Carricatur
eines Codex der Moral, die je erfunden iſt, zu opfern,
und gewöhnt ſie auf dieſe Weiſe ſyſtematiſch an jenes
blinde, katholiſche Gehorchen, welches mir die eigent¬
liche Sünde gegen den heiligen Geiſt zu ſein ſcheint.
Ich weiß nicht, ob wir hierin einer Anſicht ſind, Herr
College.“
„Vollkommen,“ antwortete Oswald.
„Und nun rechnen Sie zu den Uebelſtänden dieſes
modern-mittelalterlichen Studentenlebens, daß die Jüng¬
linge gerade in der Zeit, wo der Menſch am empfäng¬
lichſten iſt für die Eindrücke der Außenwelt, ſich her¬
metiſch in ihrer leidigen Kneipe abſchließen, anſtatt die
gute Geſellſchaft aufzuſuchen, die ihnen den Schliff
geben könnte, der ihnen wahrlich ſo ſehr fehlt, daß ſie
in den Jahren, wo ſelbſt ſpäter ſehr bornirte Ariſto¬
kraten für Freiheit ſchwärmen, ſich der excluſiveſten
Excluſivität befleißigen, und in dem Glanz ihrer bunten
Kappen und kindiſchen Troddeln noch verächtlicher auf
den Philiſter herabſehen, als der Gardelieutenant auf
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/250>, abgerufen am 22.11.2024.
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